Inferno
die Knochen eines Psychopathen ausgraben.
Natürlich hatte sie keine Ahnung, wo man Blackwell nach seiner Exekution begraben hatte, und sie kannte nur einen Menschen, den sie fragen konnte.
»Wie weit ist das weg?«, erkundigte sich Via. »Wenn es mehr als ein paar Kilometer sind, müssen Hush und ich stehen bleiben. Die Energie des Totenpasses reicht nicht so weit.«
»Es sind ungefähr drei Kilometer, aber wenn wir die Abkürzung über den nächsten Hügel gehen, ist es um einiges näher.« Sie nahm die beiden mit in den Ort; hoffentlich war die Kneipe noch geöffnet.
Der nächste Hügel war steil und dicht bewaldet. Cassie konnte kaum etwas erkennen, doch schließlich stapften sie wieder hinunter und landeten auf der Main Street im guten alten Ryan’s Corner .
»Was für ein Dreckskaff ist das denn?«, fragte Via.
»Ein echtes Redneck-Nest. Aber wir haben Glück.«
Sie zeigte über die Straße auf eine heruntergekommene Kneipe, deren Eingang von einem Neonschild beleuchtet wurde: THE CROSSROADS. BILLARD, DART, BIER
»Ich hab schon Plumpsklos gesehen, die gemütlicher wirkten. Warum müssen wir in diese Spelunke?«
»Ich kenne da so einen Kerl«, erklärte Cassie. »Und das da müsste eigentlich sein Pick-up sein. Er kommt oft hierher, hat er erzählt, und er weiß alles über die Blackwell-Sache. Von ihm habe ich die ganze Geschichte überhaupt erst erfahren.«
Via zuckte die Achseln. »Na gut, dann werfen wir eben mal einen Blick rein.«
Es überraschte Cassie nicht, dass die wenigen Schnarchnasen, die sich noch in der Bar befanden, alle einen Cowboyhut trugen und sie unverwandt anstarrten. Die Kneipe war ein lang gestreckter, dunkler Raum. Aus der Jukebox schepperte ein kläglicher Song von Garth Brooks.
»Das ist ja ein Tempel der gepflegten Unterhaltung!«, verkündete Via.
Cassie lachte, dann riss sie sich zusammen. Sie durfte nicht vergessen, dass niemand Via und Hush sehen oder hören konnte.
»Jippie-je«, krakeelte ein Tölpel von der Bar herüber. »Seht mal, was da kommt!«
»Eine waschechte Hippiebraut aus der Stadt!«, grölte ein anderer.
»Hippies gibt es seit den 70ern nicht mehr, Cowboy«, gab Cassie zurück. »Hübsche Latzhose übrigens. Kaufst du alle deine Klamotten bei Walmart?«
Der Kerl verstand den Witz nicht. »Öhm … ja.«
Sie konnte die lüsternen Blicke fast körperlich spüren, aber das war ihr im Moment egal. Entschlossen schritt sie zur Theke und sprach den Barkeeper an, ein Schrank von einem Mann mit einer Baseballkappe. »Kennst du einen Roy?«
»Den einarmigen Roy? Klar«, antwortete der Mann. »Der ist da hinten am Billard.« Er musterte ihr knappes schwarzes Outfit. »Aber wer zum Teufel bist du?«
»Die gute Fee.« Cassie sah sich um. »Nette Kneipe hast du hier, Teufel auch.«
Der Barkeeper wirkte erstaunt. »Also … danke.«
Die Augen der Anwesenden folgten Cassie, als sie in den hinteren Teil der Bar schlappte.
Ein paar Frauen, die aufgereiht an der Theke saßen, verzogen das Gesicht bei ihrem Anblick; das waren offenbar die Freundinnen einiger Gäste, und sie sahen nicht gerade wie kalifornische Beach-Babes aus. Sie alle trugen abgeschnittene Jeans, Cowboystiefel und rüschenbesetzte, knallbunte Oberteile, und bei allen zeigte sich am Scheitel ein dunkler Ansatz in den platinblonden Haaren. Wo geht’s hier zum Rodeo, Mädels?
Cassie entdeckte Roy, der unbeholfen über den Billardtisch gebeugt dastand. Ein anderer Kerl in Latzhose kicherte hämisch, während er sein Queue mit Kreide bearbeitete. »Wenn du wieder nicht triffst«, sagte der Typ gerade, »hast du verloren. Schon wieder. Die Acht liegt da wie auf’m Präsentierteller.«
»Das sehe ich auch, Chester«, gab Roy zurück. Er zog das Queue einarmig an der Innenbande entlang und wollte offenbar einen komplizierten Stoß über die Bande versuchen.
»Ist das dein Freund?«, fragte Via. »Der Einarmige?«
Cassie nickte.
Chester kicherte wieder. »Weißt du, Roy, du solltest dir vielleicht ein Hobby suchen, was dir mehr liegt. Bogenschießen vielleicht.«
Die gesamte Bar grölte vor Lachen.
»Schon bitter, weißt du. Erst kriegst du von Saddam den Arsch versohlt und jetzt von mir.«
»Ich hab dich in Kuwait gar nicht gesehen, Chester.«
»Nee, hast du nicht. Und ich hab mir auch nicht von einer Horde Kameltreiber den Arm wegschießen lassen. Mann, Scheiße, Roy. Du schaffst den Stoß sowieso nicht, warum gibst du mir die fünfzig Piepen nicht gleich?«
»Kommt nicht infrage. Ich
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