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Infiziert

Infiziert

Titel: Infiziert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Sigler
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er dann tun? Natürlich hatte er Computerbücher von der Arbeit mit nach Hause gebracht, weil er eigentlich vorgehabt hatte, sie hier durchzusehen, aber er wollte verdammt sein, wenn er jetzt Stunden über Stunden damit zubringen würde, etwas über den Umgang mit Unix-Netzwerken oder der Integration von offenen Quellcodes zu lesen. Die Vorstellung jedoch, überhaupt irgendetwas zu lesen, gefiel ihm. Alles wäre geeignet, solange es ihn nur für ein paar Augenblicke von seiner schrecklichen Lage ablenkte.
    Er hatte etwa ein Drittel von Stephen Kings Shining gelesen, doch er hatte seit Wochen keine einzige Seite mehr angesehen. Nun, dann hatte er jetzt die Gelegenheit dazu. Er würde nirgendwo hingehen. Und sich im Buch zu verlieren würde ihn vielleicht von der Schlacht ablenken, die immer noch in seinem Hinterkopf tobte – dem Versuch, nicht
an die Soldaten zu denken (denn wie laut wären die Schreie wohl, wenn er an sie dachte?).
    Doch zuerst musste er sich die Spaghettisauce aus dem Gesicht und von den Händen wischen. Die Mahlzeit war ein bisschen chaotisch verlaufen. Um die Flecken auf seinem Sweatshirt brauchte er sich weniger zu kümmern, so viel war klar, doch das klebrige, schmierige Gefühl in seinem Gesicht würde ihn ablenken. Langsam erhob er sich von der Couch und hüpfte ins Bad, wobei er über ein wenig zusätzliches Paracetamol nachdachte, wenn er schon unterwegs war. Die Schmerzen in seinem Bein wurden wieder heftiger.
    Er ließ das Wasser aus dem Hahn laufen, bis es fast kochend heiß war, und wusch sich dann das Gesicht und die Hände. Als er sein Gesicht im Spiegel sah, musste er unweigerlich zum zweiten Mal an George Romeros Klassiker Die Nacht der lebenden Toten denken. Er hätte eine dieser wandelnden Leichen sein können: Sein Haut hatte einen kranken grauen Farbton, er hatte tiefe Ringe unter den blutunterlaufenen Augen und sein trockenes Haar war ein einziges Durcheinander.
    Aber es war nicht alles schlecht. Sein Bauchansatz war verschwunden. Seine Muskeln traten zum ersten Mal seit vielen Jahren deutlich hervor. Nach und nach kam sein Waschbrettbauch wieder zum Vorschein. In den letzten Tagen hatte er mindestens fünfzehn Pfund reines Fett verloren. Er hob den Arm und sah, wie sein Deltamuskel zuckte. Die wellenförmige Bewegung der Muskelfasern war deutlich sichtbar.
    Ein beschissen großartiger Ernährungsplan. Ich würde gerne mal erleben, wie Richard Simmons da mithalten will.
    Es gab noch mehr zu sehen außer seinen Muskeln. Er hatte schon eine ganze Zeit lang keinen Blick mehr auf die Dreiecke geworfen. Er war nicht sicher, ob er wissen wollte, wie sie jetzt aussahen. Vielleicht waren sie größer, vielleicht gewannen sie immer mehr an Umfang, während sie den Mount Perry bestiegen.
    Er musste nachsehen.
    Am einfachsten ging das bei dem in der Nähe seines Halses. Perry zog den Kragen seines Sweatshirts zur Seite und legte das Dreieck frei, das sich darunter befand. Es lag unmittelbar über dem Schlüsselbein.
    Dort befand sich auch der Muskel, dessen Namen er zuerst gelernt hatte. Als er ein Kind war, hatte sein Vater häufig seinen Trapezmuskel mit einem lähmenden Griff umklammert. Im Vergleich dazu wirkte Mr Spocks kleine Nervenzwickerei geradezu läppisch. Üblicherweise war Dads Griff von einer Bemerkung begleitet, wie etwa: »Es ist mein Haus, und du wirst dich an meine Regeln halten.« Oder er benutzte die überall einsetzbare Wendung: »Du brauchst Disziplin.«
    Perry schob die Gedanken an seinen Vater beiseite und konzentrierte sich auf das Dreieck. Es war blauer als zuvor und sah jetzt eher wie eine neue Tätowierung aus und nicht mehr wie eine verblasste. Und es war fester, die Kanten waren ausgeprägter. Genauso wie seine zuckenden Muskeln anscheinend mit jeder Stunde deutlicher sichtbar wurden, war die raue Textur des Dreiecks unter seiner Haut nach und nach immer klarer zu erkennen. Er drückte mit einem Finger seiner freien Hand gegen die Haut. Definitiv fester. Er beugte sich über das Waschbecken, bis sein Gesicht nur noch fünfzehn Zentimeter vom Spiegel entfernt war, und gestattete
sich den bisher genauesten Blick auf einen der kleinen Invasoren.
    Er fing mit den Kanten an. Mit den Schlitzen. Mit der blauen Farbe. Mit den Poren seiner Haut, die immer noch vollkommen normal aussahen, hätte sich darunter nicht dieses fremdartige Etwas befunden. Er bemerkte mehrere blaue Linien, die unter dem Dreieck begannen. Verbrauchtes Blut. Desoxidiert. Dieselbe

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