Inkarnationen 02 - Der Sand der Zeit - V3
Schwierigkeiten«, sagte Clotho ohne jede Einführung. »Satan hat Chronos dazu
überlistet, einen Dämon in die Vergangenheit mitzunehmen, um Luna auszuschalten. Das wurde zwar
durch Paradoxie teilweise verhindert, aber jetzt haben wir einen Schläfer. Ich kann ihn nicht
genau aufspüren.«
Gäa musterte Norton. »Ich bitte um Entschuldigung für meinen Fehler«, murmelte sie.
Norton wußte, daß sie auf das Problem mit Orlenes Baby anspielte. »Angenommen«, sagte er. Er
wußte, daß sie ihm zum Ausgleich die Handhabung seines gegenwärtigen Amts erleichtert
hatte.
Gäa wandte sich an Clotho. »Zeig es mir.«
Clotho streckte die Hände vor, dazwischen das Gespinst der Schicksalsfäden. Gäa sah genau hin.
»Darf ich?« fragte sie.
»Du darfst«, erwiderte Clotho.
In Nähe der Fäden machte Gäa eine kleine Geste mit der Hand. Die Fäden veränderten sich, und mit
ihnen die Umgebung. Aus den Fäden wurden gelockte grüne Schlingpflanzen mit sprießenden Blättern
- und die fünf menschlichen Gestalten im Haus schienen plötzlich in einem gewaltigen Garten zu
stehen, als wären sie auf Insektengröße zusammengeschrumpft.
Die Schlingpflanzenfäden durchzogen das Gewebe dieser neuen Realität auf erstaunlich komplizierte
Weise. Alles schien mit allem offensichtlich oder subtil in Verbindung zu stehen. Es war die
Natur der Realität oder die Realität der Natur und des Schicksals.
Gäa schritt eine Liane entlang. »Hier ist es«, sagte sie.
»Hier wurden die Fäden gekreuzt.«
Die anderen drängten sich herbei. Norton sah, daß ein winziger Stamm, der einem Ausschnitt aus
einem feinen Strohhalm glich, bewegt worden war, so daß er nun an einer anderen Stelle die
Hauptliane kreuzte. Die Veränderung war kaum zu bemerken.
Clotho konzentrierte sich, und die Schlingpflanzen dehnten sich aus, bis die große einen
Durchmesser von Menschengröße aufwies und der kleine Stamm einen von drei Zoll. »Ich werde den
kleinen untersuchen«, sagte Gäa. »Der hier ist tot, aber ich glaube, daß wir darin den Schlüssel
finden.« Ein Leuchten bildete sich um die kleine Schlingpflanze und den Ort, von dem sie entfernt
worden war. Farbiges Licht strahlte aus dieser Region ab, teilte sich in seine
Prismenbestandteile, badete sie alle in Regenbogenfarben.
»Dort«, sagte Gäa und zeigte auf einen dunklen Streifen mitten im farbigen Licht. »Der
Spektrograph zeigt es an. Kontamination.«
»Gefährlich?« fragte Clotho.
Gäa furchte die Stirn. »Nein. Es ist Zyankali, aber das war auch schon vor der Einmischung da. Es
ist chemisch neutralisiert worden, so daß seine Wirkung auf einen Menschen minimal wäre. Nur ein
paar Stunden Übelkeit, sonst nichts.«
»Warum sollte Satan ein bereits existierendes Gift neutralisieren wollen?« wollte Thanatos
wissen. Clotho inspizierte die größere Schlingpflanze. »Hoppla«, sagte sie. »Jetzt begreife ich
es endlich. Was für ein heimtückischer Plan!«
Gäa blickte sie erwartungsvoll an. »Du hattest eine Vergiftung in die Wege geleitet?«
»Nicht genau«, erwiderte Clotho. »Hier, Lachesis kann die Sache besser erklären.« Sie veränderte
ihre Gestalt.
»Ich treibe die Menschen ebenso wenig ins Verderben wie Thanatos sie umbringt«, erklärte
Lachesis. »Ich spinne die Fäden lediglich zu notwendigen Mustern. Manche Sterbliche müssen
gedeihen und andere müssen untergehen, und darin ist keine persönliche Gerechtigkeit garantiert.
Ich sorge mich nicht um Individuen, sondern nur um die Muster als Ganzes. In diesem Fall mußte
ein bestimmter älterer Mann mit indifferenten Qualitäten herausgewoben werden, um Platz für eine
jüngere Frau zu machen, die über überragende Qualitäten verfügt. Also wurde er versehentlich
vergiftet, größtenteils durch seine eigene Achtlosigkeit. Er schluckte eine Tablette, die mit
Zyankali kontaminiert war, und starb im Alter von zweiundsechzig Jahren. Für die Welt war es nur
ein kleiner Verlust, obwohl er politisch prominent war.«
»Zyankali«, sagte Luna nachdenklich. »Ich erinnere mich...«
»Eben der«, bestätigte Lachesis.
»Das verstehe ich nicht«, sagte Norton.
Lachesis blickte ihn an. »Das liegt in deiner Zukunft aber du brauchst es jetzt noch nicht zu
wissen. Der ältere Senator aus Lunas Staat ist im Amt gestorben, deshalb gab es eine Nachwahl.
Luna hat sich mit Unterstützung der Kräfte des Guten um das Amt beworben und gewonnen. Es ist das
Amt, das sie jetzt innehält.«
»Luna ist Senatorin?« fragte Norton
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