Inkarnationen 02 - Der Sand der Zeit - V3
mochte, es ruhte und provozierte keine Veränderung
im Leben eines Menschen. Doch das war lediglich eine Verzögerung, eine Art Zeitbombe, die zur
entsprechenden Zeit ihre Wirkung auf das menschliche Geschehen nicht verfehlen würde. Im selben
Augenblick, da dies geschah, würde sich die Zukunft, ausgehend von diesem Zeitpunkt, verändern,
je nach der Natur der ursprünglichen Veränderung. Mit Sicherheit würde Luna dazugehören; wenn sie
schon nicht als Person eliminiert wurde, würde sie ganz gewiß als eine Kraft neutralisiert
werden, die Satan am Erfolg hindern konnte. Also mußten sie diese Veränderung orten und
ihrerseits neutralisieren, bevor sie das Gewebe des menschlichen Geschehens beeinflußte; nur so
war ihnen der Erfolg sicher.
Chronos war die einzige Wesenheit, die in der Zeit reisen konnte, und er war weitgehend immun
gegenüber Paradoxien, obwohl es Grenzen gab. Am einfachsten bewerkstelligte er dies, indem er
seinem eigenen Lebensstrang folgte, zurück bis zum Zeitpunkt seiner Geburt. Es bedurfte magischer
Anstrengungen, um seine Zeitflußrichtung umzukehren und an jene gewöhnlicher Menschen anzupassen,
wie er es gerade tat; noch mehr Anstrengung verlangte es, durch historische Epochen zu reisen
oder gar in solchen Epochen physische Gestalt anzunehmen und zu handeln. Doch die Magie der
Sanduhr machte es möglich, und er konnte tatsächlich die Wirklichkeit durch Veränderungen an der
Vergangenheit korrigieren.
In einem solchen Fall war er in zwei Personen anwesend - er selbst in seinem ursprünglichen,
normalen Leben, und er selbst in seiner Rückkehr als Chronos. Die Verdoppelung seines Selbst war
ein wichtiges Mittel seiner Macht. Wirkungsvoller war es jedoch, sich selbst zu verdreifachen; in
einem solchen Fall erschien er zu einer bestimmten Zeit ein drittes Mal und nahm auf sich selbst
als Chronos Einfluß, wodurch sich das Paradoxpotential exponentiell erhöhte.
Niemand konnte ungestraft Einfluß auf eine Inkarnation nehmen - nicht einmal diese Inkarnation
selbst.
Dadurch wurde die Macht der Sanduhr arg belastet, denn auch sie wurde verdoppelt und spielte
gegen sich selbst. Zwar war dies theoretisch möglich, doch derart unpraktisch, daß es kaum einen
Versuch wert gewesen wäre. Wenn er es tatsächlich versuchte, würde er höchstwahrscheinlich
davongeschleudert und in einer Zeit landen, wo es keine Verdoppelung gab, wobei er möglicherweise
ganz nebenbei und ungewollt Unheil anrichtete. Kurzum, die Risiken waren vermutlich größer als
der mögliche Nutzen; Zeitkatastrophen ließen sich am schwierigsten wieder auflösen - und zwar
wegen der Drei-Personen-Beschränkung.
Chronos konnte also Schaden anrichten, den Chronos nicht berichtigen konnte.
»Und das wußte Satan!« rief Norton. »Er wußte, daß ich es mir nicht mehr anders überlegen konnte,
sobald ich einmal die Vergangenheit verändert hatte - auch wenn es ungewollt geschah.«
»So ist es«, sagte Thanatos. »Hättest du den Dämon in den Steinladen mitgenommen, so hättest du
auf diese Weise Atropos' und meine besten Anstrengungen zunichte gemacht, denn bei einer solchen
Interaktion ist Chronos mächtiger als Thanatos. Wir anderen können nur durch dein Zutun
verdoppelt werden - und durch dein Zutun können wir auch nichtexistent werden. Nur Gott und
Satan, die wahren Ewigen, sind davor gefeit.«
Irgend etwas an dieser Erklärung machte Norton zu schaffen, doch er konnte es nicht genauer
festmachen.
»Dann gibt es also keine Möglichkeit, Satans Diener aufzuhalten?« fragte er. »Wenn ich nicht
zurückkehren kann, um den Dämon daran zu hindern...«
»Es müßte doch eine Möglichkeit geben«, warf Luna ein. »Lange Zeit können Satans Diener nicht von
ihm fernbleiben. Dieser Dämon muß seinen Auftrag erfüllt haben und gestorben sein. Wenn wir seine
Tat neutralisieren können, bevor sie das Ereignisgefüge der Menschen beeinflußt, ist der Sieg
unser. Wahrscheinlich haben wir Zeit, weil Satan versuchte, dich abzulenken; diese Mühe hätte er
sich nicht gemacht, wäre die Handlung tatsächlich nicht mehr rückgängig zu machen.«
»Ich habe den genauen Zeitpunkt und Ort schon fast bestimmt«, meldete sich Atropos zu Wort.
»Allerdings nicht die eigentliche Tat. Ich weiß nur, daß sie, wenn sie sich manifestiert, Satan
zum Sieg verhelfen wird. Meine Fäden stehen unter einer Spannung, die zu größeren, katastrophalen
Veränderungen zu führen scheint. Ich muß mir die Sache genauer
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