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Inkarnationen 03 - Des Schicksals duenner Faden - V3

Titel: Inkarnationen 03 - Des Schicksals duenner Faden - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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Auswirkungen können sehr weitreichend sein,
und wenn wir uns einmischen, so kann dadurch das übergeordnete Gesamtgefüge in Gefahr
geraten.«
»Aber ich liebe ihn doch!« rief sie. »Ich muß ihn retten!«
Chronos warf Thanatos einen Blick zu, der zuckte jedoch nur die Schultern.
»Aber verstehen Sie denn nicht«, sagte die Inkarnation der Zeit in vernünftigem Ton, »wenn wir
ein Ereignis verändern, besonders dieses, könnte das zu Konsequenzen führen, die keiner von uns
will.«
Niobe begann zu weinen. Sie legte das Gesicht in die Hände, und die Tränen strömten in kleinen
Bächen durch ihre gespreizten Finger.
»Vielleicht käme eine weibliche Inkarnation damit besser zurecht«, sagte Thanatos, der sich
offensichtlich unwohl fühlte. Männer neigten in derartigen Situationen oft zu solchen Reaktionen;
sie verstanden nichts vom Weinen.
»Ich bringe Sie zur Schicksalsgöttin«, stimmte Chronos schnell zu. Er trat an Niobe heran und zog
sie zögernd am Ellenbogen. »Bitte folgen Sie mir, gnädige Frau.«
Der Tonfall erinnerte sie an Cedric, und erneut brach ein Tränenschwall aus Niobe hervor. Doch
als Chronos seine leuchtende Sanduhr mit der Rechten emporhob, befanden sie sich plötzlich in
rasendem Flug durch die Luft, durch die Wände des Hauses, als wären sie zu Gespenstern geworden.
Das erschreckte Niobe so sehr, daß sie aufhörte zu weinen.
Nach einer Weile endete ihre Reise in dem riesigsten Netz, das Niobe sich jemals hätte vorstellen
können. Seine Muster aus seidenen Fäden zogen sich über einige hundert Meter in kugelförmiger
Anordnung dahin.
In der Mitte war das Netz verdichtet und bildete eine waagerechte Matte, auf der sie
niedergingen.
»Wie... was?« fragte sie verwirrt und eingeschüchtert.
»Meine Sanduhr neutralisiert auf selektive Weise einige Aspekte des chronologischen
Gegenzaubers«, erklärte Chronos. »Das ermöglicht es mir, in der Zeit zu... ach so, Sie meinen das
Netz, machen Sie sich keine Sorgen. Dies ist das Heim des Schicksals.«
»Des Schicksals!« rief sie.
»Das Schicksal war es, welches bestimmt hat, daß Cedric...«
»So war es«, stimmte er zu, während sie auf den riesigen Kokon in der Mitte dieser nachgiebigen
Fläche zuschritten.
»Die Schicksalsgöttin müßte eher in der Lage sein, Ihrem Anliegen gerecht zu werden, als
ich.«
»Aber... das ist doch nur ein gigantisches Spinnengewebe!« rief sie.
Er lächelte.
»Ich kann Ihnen versichern, gute und wunderschöne Frau, daß die Schicksalsgöttin Sie nicht auf
diese Weise auffressen wird. Sie ist... Ihnen sehr ähnlich.«
Nun befanden sie sich am Eingang. Chronos griff empor, nahm einen herabhängenden Faden und riß
daran. In dem seidenumhüllten Inneren erklang eine Glocke, und im nächsten Augenblick kletterte
eine Frau mittleren Alters aus dem Loch, äußerst wendig und geschmeidig. »Oh, Chronos!« rief sie.
»Wie nett, dich mal wiederzusehen, mein rückwärtslaufender Kollege!« Ihr Blick heftete sich auf
Niobe. »Und eine Sterbliche, die leuchtet wie der Mond!« Sie warf Chronos einen verschlagenen
Blick zu. »Was haben Sie vor, mein Herr?«
»Lachesis, dies ist Niobe«, sagte er. »Sie ist gekommen, um für das Leben ihres Mannes zu bitten,
der kürzlich einen Unfall erlitt. Ich... kann ihr in dieser Sache nicht helfen.«
Lachesis' Augen verengten sich, als hätte er etwas besonders Bedeutungsvolles gesagt. Dann
musterte sie Niobe und meinte schließlich: »Komm herein, Kind, wir werden uns mal deinen Faden
ansehen.«
Wieder warf sie Chronos einen Blick zu. »Und du auch, hochgeehrter Kollege.«
Sie folgten ihr durch das Loch, das sich als feingesponnener Netztunnel erwies, der in ein
bequemes Inneres führte. Alles war aus Gewebe, doch es war so dicht und so raffiniert gesponnen,
daß es massiv war. Die Wände waren zu einem Teppich verwoben, der eine Art Wandgemälde bildete
und Szenen aus der Welt zeigte, während der Boden ein Teppich von solcher Weichheit war, daß man
darauf ohne Matratze hätte schlafen können.
Niobe nahm auf einer üppigen Gewebecouch Platz, während Lachesis sich vor ihr aufstellte, die
Hände aneinanderlegte, sie auseinanderzog und auf die Netzfäden blickte, die auf magische Weise
zwischen ihren Fingern erschienen waren.
»Oh, das ist aber wirklich seltsam!« rief sie
Niobe furchte die Stirn. »Meinen Sie etwa... mich?«
»Gleich, meine Liebe«, sagte Lachesis gedankenverloren. Sie sah Chronos an. »Sage mir, mein
Freund, ist dies...?« fragte sie.

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