Inkarnationen 04 - Das Schwert in meiner Hand - V3
Lage geriet
und von der Strömung gegen das Holz gedrückt wurde.
Der Alligator kam näher.
Mym beobachtete das Tier und entdeckte, daß es durch eine besondere Schwimmtechnik den
Auswirkungen der Strömung entging. Er machte es dem Alligator nach und bekam tatsächlich das Boot
frei. Es glitt um den Ausläufer des Hindernisses herum und war wieder im freien Wasser. Das Tier
sah ihnen enttäuscht nach, verfolgte sie aber nicht.
So erreichten sie die nächste Station. Ligeia blieb im Kanu, während Mym sich aufmachte, die
nächste Arbeitergruppe auf seine Seite zu bringen.
Später weitete sich der Strom und zeigte sich von einer neuen unangenehmen Seite. Ein breiter
Ölteppich schwamm auf dem Wasser, und an mehreren Stellen brannten blaue Flammen.
»Der Fluß Phlegethon«, erklärte Ligeia. »Der Strom des Feuers.«
Die Hitze auf diesem Fluß war kaum zu ertragen.
Wenn sein Paddel Wasser hochspritzte und Tropfen davon ins Boot fielen, entzündeten sie sich auf
der Stelle. Wäre das Kanu nicht aus Aluminium gewesen, hätte es längst in hellen Flammen
gestanden. Die Schlange suchte sich auf der Prinzessin ein neues Plätzchen, als die Hitze auch
ihr zu groß wurde.
Dann erreichten sie einen Wasserfall. Die Gischt brannte und schuf eine mehrere Meter hohe
Feuerwand. Sie ruderten an Land, stiegen aus und zogen das Boot ans Ufer. Sie hoben das Kanu hoch
und beabsichtigten, den Wasserfall und die Feuerwand zu umgehen. Doch der Boden war trügerisch.
Bei jedem Schritt entstand ein schmatzendes, saugendes Geräusch, und aus den Löchern, die die
Stiefel im Grund hinterließen, strömte der Geruch von fauligen Eiern. Ligeia hatte große Mühe,
auf solchem Boden voranzukommen. Mym blieb nichts anderes übrig, als das Boot zu ziehen.
Er kam einigermaßen vorwärts, doch der Boden unter ihnen wurde immer gefährlicher. Löcher
entstanden wie aus dem Nichts. Versehentlich trat der Prinz in eins, und die Ränder schlossen
sich wie die Lippen eines Mundes.
Mym wollte den Fuß herausziehen, bekam aber den Stiefel nicht frei. Aus dem Loch ertönte ein
Zischen und Schmatzen, so als seien dort Verdauungssäfte am Werk. Der Prinz ließ sich von Ligeia
ein Paddel reichen und stieß damit ins Loch, bis er endlich Fuß und Stiefel befreit hatte. Von
nun an achtete er beim Ziehen des Bootes sehr genau auf die Löcher.
Sie passierten die Feuerwand, und einige Meter weiter beruhigte sich das Wasser allmählich. Sie
ließen das Boot in den Fluß und hielten bald am vierten Landesteg. Nachdem Mym auch hier
Verbündete gefunden hatte, paddelten sie zurück.
Es dämmerte schon, als sie kurz vor der Feuerzone an Land gingen, um ein Nachtlager zu errichten.
Sie fanden Knollen im Boden, die sie an langen Stöcken über das Flußfeuer hielten. Das
bescheidene Mahl stärkte sie unerwartet, und sie konnten danach wieder lachen. Sie neckten
einander, balgten sich, und dann war der Moment gekommen, da beide begriffen, daß sie miteinander
schlafen wollten. Doch Mym konnte nicht. Er fühlte sich verschmutzt und witterte eine Falle der
Hölle; woher war bei beiden so rasch die Begierde gewachsen? Der Prinz fürchtete, wenn er jetzt
seiner Lust nachgab, würde ihm ein böses Erwachen bevorstehen.
Als sie am nächsten Morgen die Augen öffneten, fühlten sie sich wie zerschlagen, und die Köpfe
schmerzten ihnen von den giftigen Dämpfen des Wassers.
»Oh, wie sehen meine Kleider aus!« stöhnte Ligeia. »In diesem Aufzug hält mich niemand für eine
Prinzessin.«
»Nicht für eine Prinzessin, aber für eine Frau«, sagte Mym.
»Willst du mich verspotten?« entgegnete Ligeia empört.
»Nein. In Wahrheit habe ich nie eine Prinzessin gesucht, sondern eine gute Frau.« Der Prinz
verstand selbst nicht so recht, was er da von sich gab. Die Gase und Dämpfe hatten vielleicht
seinen Verstand verwirrt. Er dachte an Orb, seine erste Liebe. Offenbar hatte er immer nur sie
gesucht.
Und Ligeia erschien ihm als ideale Lösung. Sie war Prinzessin und Frau, und ihre weibliche Seite
interessierte ihn zunehmend.
»Was willst du denn?« fragte sie. »Ist weibliche Schönheit denn nicht so wichtig für dich?«
»Erst in zweiter Linie. Zuvorderst interessiert mich eine Frau, die zu mir steht.«
»Ich glaube immer noch, daß du Scherze machst!«
»Dann lies meine Gedanken.« Er nahm ihre Hand und stellte die Verbindung zwischen ihnen her. In
ihren Gedanken stieß er auf eine Art Zunder, der sofort entflammte, als sie seine Gefühle für sie
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