Inkarnationen 04 - Das Schwert in meiner Hand - V3
stärken.
Mym hatte Luna, die ihm irgendwie bekannt vorgekommen war, sofort angesehen, daß sie sich gut um
seine Geliebte kümmern würde. Die Gefährtin des Todes war eine braunhaarige, abendländische
Schönheit. Ihr Haus, das von Greifen bewacht wurde, enthielt eine beeindruckende Sammlung von
Kunstwerken. Es war zwar kein Palast, aber die Prinzessin würde sich hier bald heimisch
fühlen.
So schlief der Prinz in dieser Nacht allein. Und er entdeckte dabei, daß auch er von Entzücken
abhängig war, obwohl er doch bislang geglaubt hatte, sie sei nur abhängig von ihm. Er hatte sich
so daran gewöhnt, an der Seite dieser wunderbaren Frau im Bett zu liegen, daß er sich jetzt
zutiefst unbehaglich fühlte.
Schlimmer noch, er konnte nicht einschlafen.
Nachdem er sich länger als eine Stunde unruhig hin und her gewälzt hatte, stand er auf und suchte
vergeblich etwas zu lesen. Sein Vorgänger war wohl kein Bücherfreund gewesen.
Er zog sich seinen Morgenmantel über und trat hinaus in die halbdunkle Halle. Die Bediensteten
hatten sich längst zurückgezogen; alles war still.
Doch benötigten die Bewohner von Fegefeuer überhaupt Schlaf? Vermutlich, denn sie nahmen auch
Speisen zu sich. Er sagte sich, das Leben der hiesigen Menschen unterscheide sich kaum von dem
der Normalsterblichen, es sei lediglich etwas diffuser. Wenn sie zum Beispiel keine Nahrung zu
sich nahmen, würden sie kaum verhungern, denn sie waren ja schon tot. Doch sie würden sich dann
nicht wohl fühlen, genau so, als wenn sie nicht genug Schlaf erhielten. Also wollte er ihnen ihre
Ruhe lassen. Und mit dem Schlaf waren sie sicher auch in der Lage, ihre gleichförmigen Tage
auseinanderzuhalten. Das Fegefeuer hier entsprach ganz gewiß nicht dem Ort der Qualen, als den
ihn die abendländische Mythologie beschrieb, sondern der Ort, an dem der einzelne die Gelegenheit
erhielt, die Schulden eines nicht immer rechtschaffenen Lebens abzuarbeiten. Die Menschen im
Westen erhielten keine zweite Chance mittels Reinkarnation, um in einem neuen Leben die Fehler
des vorherigen wiedergutzumachen. Sie mußten sich in einem kurzen Menschenleben um alles kümmern
und die Folgen daraus eine Ewigkeit lang aushalten.
Nein, er beneidete sie nicht darum.
Allerdings war er nun Teil dieses Systems geworden. Ach, wäre er doch ein besserer Hindu gewesen!
Er war zur Inkarnation des Mars geworden, zu einer Gestalt in einer ihm fremden Mythologie und
mußte sich an die neuen Gesetze halten. Eine eigenartige, wenn auch gerechte Strafe.
Doch das Amt brachte auch Lohn. Es hatte ihm geholfen, doch noch mit seiner über alles geliebten
Entzücken zusammenzukommen, außerdem hatte er versucht, den Krieg zwischen den Heeren ihrer Väter
zu beenden. Wie wäre wohl alles ausgegangen, wenn man ihm das Amt nicht angetragen hätte?
Wenn er darüber nachdachte, gefielen ihm auch die Möglichkeiten und Anforderungen, die dieses Amt
mit sich brachte.
Er hatte zwar am ersten Tag einige Fehler gemacht, aber wem wäre das nicht passiert. Jetzt wußte
er, wie er bei der nächsten Schlacht vorzugehen hatte.
Er schritt in den Garten, der Entzücken so begeistert hatte. Nun herrschte hier Dunkelheit.
Auch im Fegefeuer gab es Tag und Nacht. Die exotischen Pflanzen wirkten in der Finsternis größer,
und Schatten spielten um die zahlreichen Statuen und ließen sie lebendig erscheinen. Mym
spazierte weiter durch den Garten. Er konnte sich sehr gut vorstellen, wieviel Freude eine Frau
hier finden konnte. Der Garten wirkte so, als hätte die Natur selbst ihn angelegt.
Mondlicht drang durch die Wolken und tauchte die Blätter und Statuen in ein silbernes Licht. Eine
sanfte Brise kam auf und fuhr leicht durch die Wipfel. Der Pfad wand sich geheimnisvoll und
zeigte Mym immer neue Wunder der Natur.
Vor einem Kunstwerk blieb er stehen, um es genauer in Augenschein zu nehmen. Es zeigte zwei
Nackte, einen Mann und eine Frau, die sich eng umschlungen hielten. Mehr noch, sie beglückten
einander in körperlicher Liebe. Solche Darstellungen waren in Indien keine Seltenheit, doch diese
Statue hier unterschied sich von allen, die Mym jemals gesehen hatte. Dann glaubte er, die beiden
Nackten würden sich bewegen.
Tatsächlich, sie bewegten sich. Mym fragte sich, ob das Mondlicht ihm einen Streich spielte, doch
plötzlich hörte er das lustvolle Stöhnen des Paares.
Wie war das möglich? Die beiden bewegten sich immer schneller im Liebesakt. Der Prinz trat näher
heran und berührte
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