Inkarnationen 05 - Sing ein Lied fuer Satan - V3
eine Freundin von Lou-Mae«, stellte sie sich vor. »Ihre Tochter sucht Sie, will Ihnen
helfen. Was ist mit den anderen Familienmitgliedern, sind sie wohlauf?«
»Die meisten... im Moment noch«, antwortete die Frau grimmig. »Wissen Sie vielleicht eine
Möglichkeit, von hier fortzukommen?«
»Leider nicht für all die Menschen hier«, sagte Orb. Sie war sich nicht sicher, welche Personen
Jonas in seinem Bauch akzeptieren würde. Und ganz sicher reichte selbst sein mächtiger Leib nicht
für so viele Menschen.
»Dann teilen Sie Lou-Mae bitte mit, sie soll bleiben, wo sie ist, wenn es dort sicherer ist als
hier.«
»Sie will aber an Ihrer Seite sein. Ich muß sie wohl hierherbringen«, erwiderte Orb.
Die Frau nickte, und Orb kehrte zum Wal zurück.
»Ich habe sie gefunden«, verkündete sie. »Sie ist für den Augenblick gut aufgehoben und wünscht,
du sollst dich in Sicherheit begeben, aber nicht zu ihr kommen.«
»Ich habe nichts anderes von ihr erwartet«, sagte Lou-Mae. »Trotzdem will ich zu ihr.«
Orb teilte Jonas mit, wohin er sich zu wenden habe.
Lou-Mae und ihre Mutter fielen sich tränenreich in die Arme. Sie stellte ihren Freund, den
Drummer, vor. Dann wandte sich Lou-Mae an Orb: »Hier kommt keiner mehr raus. Geh zurück zum Wal
und sing das Lied.«
Orb mußte an das Risiko denken. Doch dann sagte sie sich, daß die Lage der Welt bereits so
schlimm war, daß sie es einfach wagen mußte.
Im Wal waren nun außer ihr nur noch Jezebel und der Gitarrist. »Ich werde es tun«, erklärte sie
ihnen.
»Etwas anderes bleibt dir auch kaum übrig«, bemerkte Jezebel.
»Soll ich dich auf der Gitarre begleiten?« fragte Jezebels Freund.
»Ja. Das Lied, das ich singen will, ist so ähnlich wie das des Morgens. Fang einfach damit an und
hör mir zu, damit du die Melodie modifizieren kannst.«
Orb konzentrierte sich und fing an zu singen. Das Lied des Chaos erfüllte den Raum, dehnte sich
durch den ganzen Wal aus und erfaßte schließlich die ganze Welt.
Das Zimmer verschwand, und die drei Menschen befanden sich inmitten von Regen, Sturm und Seegang.
Dunkelheit kam, dann Licht, und die beiden rangen miteinander. Am Ende siegte die Dunkelheit. Das
Chaos erneuerte seine Macht.
Orb fröstelte. Sie operierte mit einer Kraft, die sie nicht kannte. Ihre erste Heraufbeschwörung
hatte dieses Unwetter ausgelöst. Was mochte nun kommen?
»Was für eine Macht in diesem Lied steckt!« entfuhr es Jezebel, als Orb fertig war. »Damit ließe
sich in der Hölle das Unterste zu oberst kehren.«
»Ich bin ein großes Wagnis eingegangen«, murmelte Orb, »und ich weiß nicht, ob ich das Richtige
getan habe.«
Sie blickten durch die Fenster nach draußen. Der Regen ging in Nieseln über und verschwand
schließlich ganz. Nach einer Weile umkreiste Orb die Erdkugel und entdeckte, daß das Unwetter
überall aufgehört hatte. Die Wolkendecke riß bereits an mehreren Stellen auf.
Sie kehrte in den Wal zurück. »Zumindest das haben wir überstanden«, erklärte sie mit großer
Erleichterung. Dann begab sie sich rasch in ihr Zimmer, legte sich ins Bett und war im nächsten
Moment eingeschlafen.
Erfrischt wachte sie auf. Jezebel brachte ihr ein reichliches Frühstück. Orb wußte nicht, welche
Tageszeit angebrochen war. Jonas schwamm wieder unter der Erdoberfläche. Ein Blick nach draußen
hätte ihr keine Klarheit verschafft.
»Warum ist der Wal nicht oben?« fragte sie plötzlich.
»Keine Ahnung«, antwortete Jezebel. »Ich weiß nur, daß Jonas stets seine Gründe hat.«
»Ich will lieber selbst nachsehen.«
Sie schlang das Frühstück hinunter und begab sich dann nach Miami. Die Temperatur war gesunken,
und das Wasser bedeckte immer noch die Straßen, aber es stieg nicht mehr.
Orb gelangte in das Gebäude, in dem sich Lou-Mae und der Drummer aufhielten. Dort hatten sich die
Menschen provisorisch eingerichtet. In einem tieferen Stockwerk hatte man ein Restaurant und
Lebensmittel aufgespürt. Die bedrohliche Lage schien sich entspannt zu haben.
Orb bemerkte, daß die Algen immer noch wucherten. An einer Wand hatte jemand sie abgeschabt, doch
schon waren sie dabei, dieses Terrain zurückzuerobern. Der merkwürdige Geruch in der Luft war
stärker geworden.
Lou-Mae und ihre Mutter waren wohlauf, doch der Drummer lag in einer Ecke unter einer Decke. »Er
hat Fieber«, erklärte Lou-Mae besorgt. »Eine ganze Reihe hier hat dieses Fieber. Aber unter uns
ist ein Arzt. Er weiß zwar noch nicht genau, was das für eine
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