Inkarnationen 05 - Sing ein Lied fuer Satan - V3
drückte.
Also nach Norden. »Soll ich nach Hause reisen?«
Ein Druck.
»Werde ich zu Hause gebraucht?«
Wieder nur ein Druck.
»Ist etwas vorgefallen?«
Zweimaliges Drücken.
»Wird denn in Kürze etwas vorfallen?«
Einfacher Druck.
Sie wußte es sofort. »Etwas mit Vater?«
Wieder ein Druck.
Ihr Vater war alt und krank. Wenn der Ring sich schon von allein meldete, konnte das nur eines
bedeuten: Vater lag im Sterben.
»Aber ich könnte doch nach Hause fahren, um dann später wieder hierher zurückzukehren...«
Zweimaliges Drücken.
Der Ring hatte leider immer recht. Wie viele Male hatte sie schon versucht, ihn in Widersprüche
zu verwickeln? Es war ihr nie gelungen. Also mußte sie dem Ring jetzt Glauben schenken. Und das
hieß, für immer Abschied zu nehmen.
»Tinka, die Zeit ist gekommen«, erklärte sie. »Ich muß Orlene bei dir lassen, aber du kannst sie
nicht behalten. Am besten gibst du sie in die Obhut einer reichen, kinderlosen
Touristenfamilie.«
»Aber wie soll ich das denn anstellen«, sorgte sich Tinka. »Ich bin blind, und ich spreche nicht
einmal die Sprache der Touristen.«
Orb streifte den Zauberring vom Finger. »Trag diesen Ring.«
Sie erklärte ihr, wie der Ring auf alle Fragen Antwort gab. »Wenn er einverstanden ist, hast du
die richtige Familie gefunden.«
Der Ring regte sich in Orbs Hand. »Habe ich etwas vergessen? Muß ich vielleicht Tinka noch etwas
mitteilen?« Einmaliges Drücken. »Oder etwas für Orlene?« Einfacher Druck.
»Natürlich, mein Amulett. Ich hänge es ihr um.«
Zweimaliges Drücken.
»Dann fällt mir nur noch eines ein...«
Ein Druck.
»Ich soll dich Orlene geben, nachdem Tinka geeignete Adoptiveltern gefunden hat?«
Einmaliges Drücken.
»Dann willst du also bei Orlene bleiben und ihr das ganze Leben lang zur Seite stehen?«
Dreimaliges Drücken.
»Aber doch zumindest so lange, bis sie erwachsen ist und ihre eigenen Entscheidungen treffen
kann?«
Ein Druck.
»Ja, dann ist es gut. Ich weiß, daß du sie beschützen wirst.«
Einfacher Druck.
Sie reichte den Ring Tinka. »Nachdem du die richtigen Eltern gefunden hast, gibst du Orlene den
Ring.«
Die Zigeunerin nickte.
»Und wenn für dich die Zeit gekommen ist, ein Kind auszutragen...« Sie griff in ihre Flasche und
gab Tinka den Rubin. »Damit brauchst du keine Not zu leiden. Ist dein Gatte ein ehrenwerter und
treuer Mann? Wird er dich nicht hintergehen?«
Tinka nickte.
»Dann gibt ihm den Stein, damit er ihn für dich verkauft.« Orb umarmte Tinka. »Ich fürchte, ich
sehe dich nie wieder. Aber ich liebe dich und werde immer an dich denken.«
Als die Zigeunerin zu weinen begann, kamen auch Orb die Tränen. Doch sie konnte nichts mehr daran
ändern. Orb flog mit dem Teppich zum nächsten Flughafen und bestieg dort eine Maschine nach
Irland.
Pacian lag tatsächlich im Sterben. Niobe begrüßte tränenaufgelöst ihre Tochter. »Wie schön, daß
du gekommen bist! Woher wußtest du, wie es um deinen Vater steht?«
»Ich hatte einen Zauberring, der es mir gesagt hat. Es tut mir leid, daß ich so lange fort
gewesen bin.«
»Du bist kein Kind mehr, sondern eine erwachsene Frau. Du kannst deine eigenen Entscheidungen
treffen.«
Der Anlaß war zwar traurig, aber Orb war froh, wieder zu Hause zu sein. Nicht auszudenken, wenn
sie in der letzten Stunde ihres Vaters in der Fremde gewesen wäre.
Orb trat ans Bett von Pacian, legte ihm eine Hand auf den Arm und schenkte ihm ihre magische
Musik. »Weißt du noch, wie du mir einmal vom Lied des Morgens erzählt hast?«
»Suche und finde dein Lied, Orb«, antwortete er matt. Die beiden sangen, bis der Vater erschöpft
zurücksank.
Zwei Tage später war Pacian tot, und Orb kümmerte sich um alle Formalitäten.
Als ihr Vater bestattet worden war, hatte Orb keinen Grund mehr zu bleiben. Niobe mußte die Farm
führen, und Orb selbst mußte endlich herausfinden, was sie eigentlich aus ihrem Leben machen
wollte. Natürlich liebte sie ihre Mutter, und Niobe hätte sie sicher noch eine Weile bei sich
aufgenommen. Aber Orb war zu der Erkenntnis gelangt, daß die schönen Zeiten im Kreise der Familie
endgültig der Vergangenheit angehörten.
»Du solltest Luna einen Besuch abstatten«, schlug die Mutter vor. »Vielleicht kommst du dort in
Amerika mit deiner Suche weiter.« Orb hatte fleißig nach Hause Briefe geschrieben und von ihren
Erlebnissen berichtet. Etwas hatte sie jedoch verschwiegen. Nicht, daß sie ihre Mutter nicht
täuschen wollen, sie hatte einfach nicht die
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