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Inkubus

Inkubus

Titel: Inkubus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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kleinere Behältnisse mit Schmieröl, eins für den Winter, eins für den Sommer und ein Universalschmieröl als Reserve; zwei Werkzeugkästen, einer für unterwegs und ein vollständiger Satz für die regelmäßige Wartung in der Garage; ein Paar schwarze Lederhandschuhe; zwei seitliche Satteltaschen; ein Manometer zur Überprüfung des Reifendrucks; ein Wildledertuch, drei Wolllappen, eine Packung Glanzpolitur, eine kleine Druckluftpistole, Fett für die Bremsen, eine Rolle Karosserieband und ein Foto von ihm auf einem Biker-Treffen, in einem schwarz-roten Lederoverall.
    Der Junge wusste genau, was der Metallschrank enthielt, weil er ihn in der vorigen Nacht aufgebrochen hatte. Er hatte das Instrument dortgelassen, mit dem er das Licht in den Augen seiner Opfer messen konnte, und das Klebeband, den Holzkeil, auf den schon der Lehrer und der Zahnarzt gebissen hatten, eine Rolle dünnen, scharfkantigen Eisendraht – den er in einer Eisenwarenhandlung gefunden hatte, die auch Gefängnisse belieferte – und eine braune Papiertüte, die drei grüne – drei unreife – Äpfel enthielt. Serse Carboni würde nichts bemerken, denn der Junge hatte alle Sachen in den Satteltaschen verstaut. Er hatte ihn oft beobachtet, wenn er mit seinem Motorrad losfuhr, hatte ihn ausspioniert und wusste nun, wie er sich verhielt. Er fand es lustig, dass er den Sozialarbeiter seine eigenen Todeswerkzeuge transportieren ließ, wie jemanden, der das Kreuz zu seiner eigenen Kreuzigung hinauftragen musste.
    Als die Brandschutztür der Tiefgarage aufging, duckte der Junge sich nicht, denn er hatte die Seitenfenster des alten Lieferwagens verspiegeln lassen und fühlte sich sicher. Eine Frau mit ihrem Sohn kam aus der Tür, der Kleine hatte einen Rucksack umgeschnallt. Die beiden stiegen in einen SUV, der nach einigen vergeblichen Versuchen tatsächlich ansprang und die Luft der Garage mit Kohlenmonoxid und schwarzem Qualm verpestete.
    Der Junge fühlte sich müde.
    Er war es leid, ständig mit dem Tod zu schaffen zu haben.
    Er nahm eine Amphetaminpille. Er hätte so gerne geschlafen, wollte nichts als schlafen. Aber er hatte Angst vor den Albträumen.
    Er hoffte, dass Carboni nicht gerade in diesem Moment auftauchen würde, denn er fühlte sich schwach und demotiviert. Das kam vor. Er hatte eine Mission zu erfüllen, aber das bedeutete nicht, dass sein Glaube nicht ab und an ins Wanken geriet. Wenn es nur an ihm gelegen hätte, hätte er es nie geschafft. Aber wenn es nur an ihm gelegen hätte, hätte er auch keine Mission gehabt. All das tat er nicht für sich. Dieses Wissen verlieh ihm jedes Mal wieder neuen Glauben und Kraft. Gab ihm den Glauben an seine Mission zurück und die Kraft, diese zu erfüllen. Es war eine notwendige Rache, Gerechtigkeit, der Genüge getan werden musste. Es war ein Akt der Liebe.
    »Du bist der Wächter. Du bist der Diener. Du hast kein Recht, schwach zu sein, denn du bist nichts. Du bist das Gefäß. Du bist das Sammelbecken. Du bist der Schoß, der nichts hervorbringt, du bist der Stall. Du bist die Dunkelheit, die dem Licht dient. Damit das Licht wieder erstrahlen kann. Denn der Diener ist der Herr. Und der Herr ist das Licht .«
    Wieder ging die Garagentür auf. Der Junge lächelte, als er ihn sah. Der etwas dickliche, schlaffe, plumpe Körper beulte die enge, schwarze Lederkluft aus. Das bleiche Fleisch – das im Schein der Garagenbeleuchtung einen unnatürlichen Grünton angenommen hatte – schien einen stummen Schrei auszustoßen, weil man es in dieses düstere Gewand gezwängt hatte. Die Motorradstiefel, die ihm mit noch offenen Schnallen um die Knöchel schlappten, waren zu groß und zu hart.
    Carboni ging zum Motorrad. Er spielte ein wenig mit einem großen Schlüsselbund herum, bevor er die beiden dicken Ketten aufschloss, mit denen das Hinterrad und die vorderen Stoßdämpfer in den beiden in den Boden eingelassenen Stahlringen festgemacht waren, und den Motor anließ. Glücklich lächelnd lauschte er dem Dröhnen, das von den unverputzten Betonwänden widerhallte. Dann nahm er ein Wolltuch aus dem Metallspind – beim Öffnen bemerkte er gar nicht, dass dieser aufgebrochen worden war – und wischte den Staub von dem verchromten Tank und den glänzenden Schutzblechen. Schließlich stellte er den Motor wieder ab, schulterte die beiden Satteltaschen und lehnte die Flügel des Schrankes an, ohne die Vorhängeschlösser wieder anzubringen. Dann schlurfte er träge zur Garagentür.
    Er hatte den Jungen

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