Inkubus
während er dem Barmann ein Zeichen gab, ihm etwas zu trinken zu bringen.
»Und warum ziehst du ihn dann nicht einfach aus?«, fragte Palermo und betrachtete weiter seinen Engel mit der rauen Stimme. Zwei Gäste waren zu ihm auf die kleine Bühne geklettert und rieben sich tanzend an Luz.
»Das kann ich nicht tun wegen dieser verfluchten Schwuchteln. Die würden sich dann bestimmt bei mir nicht mehr wohl fühlen und vielleicht ganz die Kneipe wechseln«, sagte der fette Mann beinahe schrill. »Niemand ist konservativer als Schwule.«
Palermo lachte.
Ein Mann in Anzug und Krawatte, etwa vierzig, er wirkte gleichermaßen gepflegt wie gelangweilt, hatte sich zu ihm umgedreht. Er hatte ein rotes Muttermal direkt unter dem rechten Auge, wie Palermo feststellte. Der Mann starrte den fetten Eigentümer des Dover Beach durch dicke Brillengläser an, die seine Augen stark verkleinerten.
»Was glotzt du so blöde?«, fuhr der ihn an. »Soll ich vielleicht deiner Frau erzählen, dass du dir Pimmel in den Arsch stecken lässt?«
Der Mann sprang auf und verließ hastig das Lokal.
»Du hast gerade einen Kunden verloren«, meinte Palermo.
»Bleib du mal lieber bei der Polizei«, grinste der Fettwanst. »Als Betreiber einer berüchtigten Schwulenkneipe wärst du eine komplette Niete«, meinte er und zeigte mit einem unberingten Finger zur Tür. »Ich habe ihm gerade genug Stoff geliefert, dass er sich ordentlich einen runterholen kann. Keine Sorge, der kommt wieder, weil er genau das fühlen will, und dabei wird er mehr Herzklopfen haben als eine scheue Jungfrau … Und dann wird er einen Haufen Kohle hier lassen.«
Palermo hatte bemerkt, dass Luz ihm einen schnellen Blick zugeworfen hatte. Er lächelte ihm zu. Luz neigte den Kopf zur Seite und tanzte weiter. Die blonden Locken der Perücke strichen sanft wie eine Liebkosung über seine Schulter. Als er mit einem geschickten Satz von der Bühne sprang, umringten ihn sofort viele andere Gäste, die mit ihm tanzen wollten.
Palermo war nicht eifersüchtig auf diese Männer. Sie alle waren bedeutungslos, fast wie Schatten. Anonyme Körper ohne Namen oder Gesicht oder Seele. Aber er war anders, er würde diesen in Luz brennenden Schatten der Vergangenheit fassen, bevor Luz ihn fand. Bevor er wieder Gestalt annahm. Damit Luz aufhörte, nach ihm zu suchen. Damit er nur ihm gehörte.
Ein schlanker Mann mit pockennarbigem Gesicht und kleinen, bösartig funkelnden Augen stand von seinem Stuhl auf, starrte Luz an und ging dann zu der Tür, die zu den Separees führte.
Palermo bemerkte ihn.
»Hör mal … gestern hat du dem Fürsten ganz schön eingeheizt …«, nahm der Eigentümer des Dover Beach ihr Gespräch wieder auf.
»Nicht jetzt«, unterbrach ihn Palermo, ohne ihn anzusehen.
»Der Fürst ist ein Arschloch, da bin ich ganz deiner Meinung, aber …«, fuhr der Dicke fort.
Luz tanzte jetzt mit einem der Mädels des Lokals. Er öffnete seine roten Lippen ein wenig und ließ die Zunge hervorschnellen, schloss seine Augen, eine Hand wanderte unter die Gürtellinie. Das Kleid ließ seinen kräftigen Rücken völlig frei. Vergnügt und erregt schaute er lachend zu Palermo hinüber. Er war strahlend schön wie eine heidnische Gottheit.
»Nicht jetzt«, wiederholte Palermo, ohne Luz aus den Augen zu lassen.
Der Fettwanst stand seufzend von seinem Hocker auf. Er kannte diesen Tonfall, und da er keinen Ärger heraufbeschwören wollte, zog er sich lieber wieder in sein Büro zurück.
Palermo schaute noch einmal schnell zu dem pockennarbigen Mann hinüber. Er stand immer noch unbeweglich an der Tür zu den Separees und verfolgte mit seinen bösartigen Augen die exhibitionistische Darbietung von Luz.
Als die Musik verstummte, küsste Luz den Transvestiten, mit dem er getanzt hatte, auf den Mund und kam zu Palermo.
»Ich bin total verschwitzt«, sagte er zu ihm völlig atemlos, »ich werde mich mal kurz frisch machen«, dann bahnte er sich seinen Weg durch die Menge und ging zu der Tür, die zu den Separees führte.
Der pockennarbige Mann schloss sich ihm an, überzeugt, dass ihn niemand dabei beobachtet hatte.
Palermo ging ihnen sofort nach. Er ließ die kleine Tür hinter sich, die eigentlich den Mädels des Dover Beach vorbehalten war, und stieg die schmale Treppe nach oben, die zu dem großen Raum führte, wo die Stricher des Lokals sich schminkten, miteinander schwatzten und manchmal auch eine schnelle Nummer mit ungeduldigen Freiern schoben.
»Jetzt reiß ich dir den
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