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Inkubus

Inkubus

Titel: Inkubus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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Arsch auf, du billige Nutte«, hörte er eine Stimme hinter dem Paravent der Separees, die dem pockennarbigen Kerl zu gehören schien.
    »Meinst du nicht, dass das eine ziemlich grobe Art ist, jemandem den Hof zu machen?«, erwiderte Luz in einem Ton, der Palermo verblüffte. Seiner Stimme war nicht die geringste Aufregung oder Feindseligkeit anzuhören. Die Situation schien ihn zu verlocken und gleichzeitig zu amüsieren.
    Palermo war in den Polizeidienst eingetreten, weil er das Bedürfnis nach einer Welt verspürte, die auf klaren Regeln aufgebaut war, und weil ihm ein Ideal von Gerechtigkeit vorschwebte, das die Zurückweisung durch seine Mutter ins Wanken gebracht hatte. Weil er nach einem geordneten Ausgleich zu seinem chaotischen Privatleben suchte. Weil ihn seine Welt, in der Männer sich nichts aus Frauen machten, sondern nur aus Männern, ängstigte und orientierungslos zurückließ. Als er in den Polizeidienst eintrat, hatte er begriffen, dass er immer Angst vor den Erwachsenen haben würde, vor ihrer Gewalt, ihrem Schweigen und ihren Zurückweisungen.
    Hinter dem Paravent hörte man den Pockennarbigen heftig aufstöhnen.
    »Ich hätte es lieber gehabt, wenn du mit einer Rose zu mir gekommen wärst als mit diesem langen, beängstigenden Messer«, meinte Luz plötzlich.
    Palermo zuckte zusammen. Auf einmal hatte er das sinnliche Lächeln auf Luz’ Lippen vor Augen. Er war nur wenige Schritte vom Paravent entfernt. Ferne, tief begrabene Erinnerungen erweckten andere ebenso weit zurückliegende Gefühle zum Leben. Als er ins Sittendezernat gekommen war, hatte Palermo ziemlich schnell entdeckt, dass er Kinder mochte. Dass er sie verstand. Dass er ihre Reinheit liebte und dass er sie schützen konnte. Wie eine Blume in einem Gewächshaus.
    »Mit einer Rose hätte ich dir nicht die Kehle durchschneiden können«, sagte der Pockennarbige.
    »Aber du hättest mir das Herz gebrochen …«, erwiderte Luz. »Und aus diese Wunde wäre wesentlich mehr Blut geflossen.«
    Luz war eines dieser Kinder. Das reinste. Die vollkommene Kamelie, die zu züchten Palermos Mutter nie gelungen war. Und Palermo wusste, dass das Einzige, was ihn noch am Leben erhielt, dieses strahlende Licht war, das von Luz ausging. Er hätte niemandem erlaubt, ihm wehzutun.
    »Du bist bloß eine billige Schlampe«, schrie der Pockennarbige.
    Palermo hörte eine Bewegung. Einen unterdrückten Laut. Er stürzte zum Paravent und warf ihn um. Luz hatte die Hand fest gepackt, mit der der Pockennarbige sein Messer umklammerte, und führte sie langsam zu seinen Haaren. Zu der verborgenen Narbe. Palermo schaute den Pockennarbigen an und einen kurzen Moment lang hatte er den Eindruck, in ein anderes Gesicht zu starren. Das des Schattens aus der Vergangenheit, seines Rivalen. Mit einem Schrei stürzte er sich auf den Mann und schlug ihm seine Faust mit all seiner Kraft, mit all seiner Wut in die rechte Niere. Der andere brach stöhnend in die Knie, dabei fiel ihm das Messer aus der Hand. Palermo warf ihn auf den Rücken, hockte sich auf seine Brust und bearbeitete ihn mit den Fäusten, bis Luz ihn fortzog. In der zerschlagenen Fresse des Mannes auf dem Boden erkannte Palermo nun wieder den pockennarbigen Kerl. Es war nicht der andere, nicht dieser Schatten.
    Luz schaute Palermo voller Liebe und Dankbarkeit an.
    Die anderen Mädels hatten die Türsteher alarmiert, die nun herbeieilten. Einer der beiden packte den Pockennarbigen bei den Handgelenken und zog ihn aus den Separees. Der andere Rausschmeißer half mit einem Tritt in die Eier nach.
    Während von draußen das gedämpfte Poltern zu hören war, mit dem der Kopf des Pockennarbigen rückwärts auf den Treppenstufen aufschlug, öffnete Luz seine Hose, ließ sie zu Boden gleiten und war nun bis auf die Stiefel an den Füßen nackt.
    Palermo starrte seinen Penis an. Er war kräftig und unschuldig. Sinnlich und unverletzlich. Wie Luz selbst. Es war jedoch nicht Luz’ perfekter Körper, den Palermo begehrte. Seine Leidenschaft galt Luz’ verletzter Seele.
    Luz streichelte ihm über eine Wange. Dann setzte er sich immer noch nackt, in aller Unschuld vor den Spiegel und begann sich abzuschminken.
    Palermo versteckte seine blutbespritzten Hände hinter dem Rücken.
    »Du wirst es schaffen«, flüsterte Luz ihm zu, zu seinem Spiegelbild. »Und ich werde dir helfen.«
    Das war wie ein Erdrutsch. Palermo spürte, wie die heftigen Erinnerungen an eine ferne Vergangenheit über ihn hereinbrachen, die ihn so

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