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Ins Eis: Roman (German Edition)

Ins Eis: Roman (German Edition)

Titel: Ins Eis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Nieberg
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versuchte, durch das Schneetreiben hindurch die Lichter der drei über den Fjord rasenden Motorschlitten auszumachen. Vergebens. Jenseits der Reling herrschte wenige Meter verwaschene Helligkeit, wo die Lichter des Schiffs noch auf Flocken schaukelten, schmutzig weiß, grau, grauer, und dahinter ein schwarzes hungriges Loch. Generatorbrummen begleitete die Elektrizität, die aus der »Noorderlicht« eine Insel der Zivilisation formte, deren Grenze allerdings bereits in den Masten, wo der Wind mit Holz, Stahl und Seilen spielte, endete. Darüber, daneben, überall sonst wirbelte bloß noch Schnee.
    In ihren Händen drehte Kirsten Monikas scharlachroten Schal. Wenn sie ihn ans Gesicht führte, roch er nach Monika.
    Hinter ihr klapperte es. Sie fuhr herum. Am Eingang zum Maschinenraum hatte eine Lampe gebrannt, jetzt schob sich ein Schatten aus dem Schacht und durch die Luke. Kaum draußen, löschte er die Lampe und drehte sich zu Kirsten um. Kirsten kannte den Namen des Mannes nicht, sie wusste nur, er hatte auf der »Noorderlicht« das Sagen.
    Er trat einen Schritt auf sie zu. Das durch die Bullaugen des Deckhauses fallende Licht beleuchtete gerade einmal die untere rechte Hälfte seines Gesichts. Er wirkte grimmig, skeptisch ob ihrer Anwesenheit an Deck, aber wer konnte es ihm verdenken? Sie hatten sein Schiff verflucht.
    Kirsten fragte sich, ob es klug war, hier draußen allein zu sein. Ein Sturz von Deck, und sie wäre für immer verschwunden. Aber halt, das schwarze Wasser unter ihr war von Eis bedeckt. Sie würde hart fallen. Aber verschwinden? – Nein.
    Wo blieben Tim und Oda mit Monika? Würden sie sie überhaupt finden? Die Kälte, der Schnee, Eisbären, die Dunkelheit und Orientierungslosigkeit, ein umgestürztes Schneemobil. Wie schnell starb es sich in dieser polaren Nacht?
    Durch das Bullauge blickte Kirsten ins Innere des Deckhauses. Elisabeth, Fredrik, Tanja, Tobias und Peter hatten sich um den großen Tisch versammelt, die Ellenbogen aufgestützt und die Hände gefaltet. Elisabeths Lippen bewegten sich, zwischen Tanjas geschlossenen Fingern baumelte eine Kette mit einem in Gold gefassten Kreuz als Anhänger. Bis auf Fredrik und Peter waren alle Familienmitglieder katholisch. Fredrik sah zur Decke empor, Peter bewegte seine Finger einzeln auf und ab, wie eines der alten Kinderspiele, bei denen man sich selbst testete, ob man über seine verschränkten Finger noch volle Gewalt hatte, welcher Finger zu welcher Hand? Ingrid saß auf der Bank gegenüber und musterte die Gruppe. Von Hartmut war nichts zu sehen. Jemand war an den an der Decke befestigten Globus gestoßen, und so wackelte dieser nun sachte hin und her.
    Von außen, aus dem Sturm und durch das Fenster betrachtet, schien die tonlose Szenerie aus einem Gemälde zu stammen. Der Kater nach dem letzten Abendmahl. Kirsten wandte sich erneut der Finsternis über dem erstarrten Fjord zu. Ihre Augen schmerzten von den heftigen Böen; sie musste sich in den Windschatten stellen. An ihren Wimpern bildete sich Eis. Wenn sie blinzelte, klebten die Härchen aneinander und brachen. Sie wartete und fror.
    Endlich teilte blasses, rasch greller werdendes Licht die Nacht; Schneeflocken stürzten sich in die Kegel näher kommender Scheinwerfer. Zwei Schlitten, hintereinander, im Abstand von vier Schlittenlängen. Auf dem vorderen saßen zwei Personen.
    Der Mann, der gerade aus dem Maschinenschacht geklettert und dann wortlos verschwunden war, stieg die Leiter, die neben dem Ruder zum Mannschaftsraum führte, empor und stellte sich neben Kirsten. Sowie Monika mit steifen Bewegungen vom vordersten Schlitten kletterte, verschwand er in seiner Kommandozentrale. Bevor Kirsten die Gangway hinunterrannte, hörte sie ihn in sein Satellitentelefon sprechen.
    Monikas Gesicht wies rote Stellen auf, vor allem an den Wangen und der Nase. Ihre Hände waren steif, sie konnte kaum gehen. Oda und Ingrid nahmen sie rechts und links zwischen sich, während sie ihr hinunter zu ihrer Kabine halfen. Tanja rief Monika nach, es tue ihr sehr leid, aber niemand wusste so recht, ob Monika überhaupt etwas hörte. Sie habe, erzählte Tim, kaum ein Wort gesprochen, seit sie sie gefunden hatten. Der Schnee hatte es Tim und Oda leicht gemacht, Monikas Spuren zu folgen, aber weil sie diese nicht verlieren durften, hatten sie langsam fahren müssen. Monika hatte unglaubliches Glück gehabt. Sie hatte ihr Schneemobil in einer Wehe festgefahren, pausenlos musste sie versucht haben, es wieder

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