Ins Gras gebissen: Ein neuer Fall für Pippa Bolle (Ein Pippa-Bolle-Krimi) (German Edition)
wehmütig. Nicht umsonst bin ich auf einen Italiener reingefallen und muss jetzt dank des italienischen Rechts noch zwei Jahre auf meine Scheidung warten. Die sieben Jahre mit Leo in Florenz waren vielleicht nicht die schönsten meines Lebens – aber immerhin die wärmsten. Unwillkürlich wickelte sie den dicken Strickpullover enger um sich.
Die Stimme des älteren Mannes vor ihr riss sie aus ihren Gedanken. »Haben Sie Waltraut Heslich schon gesehen?«, fragte er den Jüngeren.
»Bornwassers Lebensgefährtin?« Sein Nebenmann schüttelte den Kopf. »Heute noch nicht.«
»Ich hätte sie an vorderster Front erwartet«, sagte der ältere Mann. »Aber vielleicht steht sie hinten.« Als er sich suchend umwandte, fiel sein Blick auf Pippa. Er musterte sie neugierig. »Wollen Sie hier durch? Sind Sie eine Bekannte von Herrn Bornwasser?« Höflich trat er zur Seite, um sie vorzulassen.
Pippa suchte krampfhaft nach einer logischen Erklärung für ihre Anwesenheit auf der Beerdigung. »Ich bin beruflich hier«, sagte sie schließlich.
»Ach ja? Was tun Sie denn, wenn ich fragen darf?«
Von der Neugier des Mannes überrumpelt, antwortete sie: »Ich bin die Verstärkung für …«
»Ich hör wohl schlecht«, fauchte der Mann in Nadelstreifen, während sein Blick weiter auf das Grab gerichtet blieb, »schicken die tatsächlich eine Verstärkung! Die trauen uns wohl überhaupt nichts zu.«
Aber der ältere Mann streckte Pippa die Hand hin. »Sie sind die Verstärkung? Das ging aber schnell. Wir freuen uns über Unterstützung. Mein Name ist Seeger.«
Unwillkürlich ergriff Pippa die Hand und schüttelte sie, obwohl sie nicht verstand, welche Verbindung zwischen den beiden Männern und Christabel Gerstenknecht bestand.
»Das ist Kollege Hartung«, fuhr der Mann fort und deutete auf seinen eleganten Begleiter.
Dieser nickte Pippa lediglich flüchtig zu. »Wie ich schon sagte: Wir brauchen Sie nicht. Wir schaffen das allein.«
Pippa ahnte plötzlich, dass die beiden sie mit jemandem verwechselten. »Ich …«, setzte sie zu einer Erklärung an, aber der Mann namens Seeger legte den Finger vor die Lippen. Er machte eine Kopfbewegung zum Grab, wo sich gerade ein untersetzter Mann in Positur warf, um eine Rede zu halten.
»Später«, flüsterte Seeger. »Hören Sie sich lieber an, was Thaddäus Biberberg zu sagen hat. Und anschließend erläutern Sie mir, welche Schlüsse Sie daraus ziehen.«
Der Mann am Grab war klein und stämmig, mit vor Aufregung roten Wangen. Er hielt einen zerknitterten Zettel in den Händen, den er hektisch überflog und dann in die Tasche seines schlechtsitzenden Sakkos stopfte. Offenbar wollte er sich nicht die Blöße geben, seine Rede abzulesen.
»In meiner Eigenschaft als Bürgermeister von Storchhenningen ist es mir eine besondere Ehre, Harry Bornwassers Leben und Verdienste zu würdigen«, begann er salbungsvoll. »Seine legendäre Tatkraft ließ er voll und ganz unserem geliebten Storchendreieck zugutekommen. Auch nach der Öffnung der Grenze verließ er seine geliebte Heimat nicht, sondern stand zu unserem Leben in ländlicher Stille …«
»So ein Pech – und jetzt, da durch ihn hier endlich mal was los ist, kriegt er es nicht mehr mit«, murmelte Hartung und zupfte gelangweilt an den Manschetten seiner schicken Anzugjacke.
Das in ihr aufsteigende Lachen konnte Pippa nur unterdrücken, indem sie sich ganz auf die Rede des Bürgermeisters konzentrierte.
»Nach der Wende hat sich Harry Bornwasser nicht unterkriegen lassen«, deklamierte dieser gerade, »sondern sich Schritt für Schritt eine zweite Karriere als Gerichtsvollzieher aufgebaut. Wer Harry Bornwasser kannte, weiß, mit welcher Hingabe er für seinen Beruf lebte und wie vollkommen er darin aufging …«
»Wie wahr«, sagte ein Mann, der von hinten an Pippa herangetreten war, mit gedämpfter Stimme. »Das wissen alle, die jemals das zweifelhafte Vergnügen hatten, Besuch von ihm zu bekommen. Des einen Freud, der anderen Leid.«
»Ah, die Lokalpresse.« Seeger drehte sich um und begrüßte den Neuankömmling mit einem Nicken. »Habe mich schon gefragt, wo Sie stecken, Brusche. Was wäre die morgige Ausgabe des Storchenklapperers ohne detaillierte Berichterstattung über die Beisetzung? Allerdings frage ich mich, wer sich dafür interessieren soll. Ihre Abonnenten sind doch alle hier.«
» Ciconia Courier , Herr Kommissar. Seit 1860 immer bestens informiert.« Der Lokalreporter lächelte nachsichtig. »Gerne auch darüber,
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