Ins Gras gebissen: Ein neuer Fall für Pippa Bolle (Ein Pippa-Bolle-Krimi) (German Edition)
wir es heraus«, sagte sie und sah dabei aus wie eine Katze vor einem unbewachten Sahnetopf.
Kapitel 7
S trahlender Sonnenschein fiel durch das Fenster, als Pippa erwachte, und malte den Schatten eines sich drehenden Rades an die Zimmerdecke. Alles im Zimmer schien im Takt übergroßer Speichen zu tanzen.
Bei Christabel würde mich selbst ein Riesenrad im Garten nicht wundern, dachte Pippa träge.
Sie streckte sich verschlafen und sah auf den Wecker. Halb sieben – ein paar Minuten hatte sie noch, bevor Melitta Wiek sie mit dem Haus und ihren neuen Aufgaben vertraut machen würde, um danach mit Severin Lüttmann zum Flughafen und zu ihren jeweiligen Urlaubszielen aufzubrechen.
Pippa ließ den Blick durch den Raum wandern – in der Nacht zuvor hatte lediglich eine kleine Lampe am Bett gebrannt, als sie todmüde hineingefallen war. Der vage Eindruck von schweren, dunklen Holzmöbeln bestätigte sich im Morgenlicht: Ein wuchtiger, mit Schnitzereien verzierter Kleiderschrank dominierte den Raum, eine dazu passende Kommode und das großzügig bemessene Bett mit den Nachtschränken rechts und links waren von gleicher Machart. Nach diesem Mobiliar würde sich jeder Antiquitätenhändler die Finger lecken. Vor dem Fenster stand ein großer Sekretär mit einem Lehnstuhl. Die Tapete mit Blumenmuster in zarten Farben ließ den Raum trotz der dunklen Möbel heiter und freundlich wirken.
Auf einem Nachtschrank standen ein Wecker, eine altmodische Lampe mit verspieltem Glasschirm und ein schnurloses Telefon in einer Ladeschale, auf dem anderen entdeckte sie ein Tablett mit allem, was zu einer frühmorgendlichen Teezubereitung gehörte: Wasserkocher, Milch, Tee, Zucker und eine große Tasse. Sie reckte sich, um den Wasserkocher anzustellen, und fragte sich, ob sie diese kleine Aufmerksamkeit in der Nacht zuvor übersehen hatte oder ob jemand im Zimmer gewesen war, während sie noch schlief. Sie angelte nach einem Teebeutel und hängte ihn in die Tasse. Als sie das kochende Wasser darüber goss, erfüllte der Duft nach Earl Grey sofort das ganze Zimmer.
Entspannt lehnte sie sich in die weichen Kissen zurück, betrachtete das bewegte Spiel der Schatten im Raum und ließ ihren Ankunftstag in Storchwinkel Revue passieren.
Es hatte tiefe Dunkelheit geherrscht, als sie endlich alle in Christabel Gerstenknechts Haus angekommen waren. Erschöpft vom langen und ereignisreichen Tag hatte sie das Angebot einer Abendmahlzeit abgelehnt und sich sofort in ihr Zimmer zurückgezogen. Nicht nur die Müdigkeit, auch der Anblick der Leiche in der Backstube war Pippa auf den Magen geschlagen.
Heute Morgen kam ihr der vergangene Tag vor wie die Inszenierung eines skurrilen Mörderspiels mit ihr als einziger Zuschauerin, von der das Storchendreieck die Lösung des Rätsels erwartete. Die Dorfbewohner beherrschten ihre Rollen perfekt: Frau Pallkötter spielte die böse Hexe, Christabel Gerstenknecht die weise Königin, Maik Wegner machte sich gut als jugendlicher Held, die beiden Bürgermeister gaben komische Clowns und der alte Heinrich das düstere Orakel … und niemand außer ihr fand das merkwürdig.
Pippa schüttelte über sich selbst den Kopf. Unsinn. Sie hatte all diese Menschen in einer Extremsituation kennengelernt; kein Wunder, dass ihre subjektive Wahrnehmung dadurch beeinflusst wurde. Sie nahm sich vor, bei allen Beteiligten eine unvoreingenommene zweite Beurteilung vorzunehmen, und schwang sich aus dem Bett, um endlich der Ursache des Schattenspiels auf den Grund zu gehen.
Als sie mit ihrer Tasse zum Fenster ging, entdeckte sie die Abbildung auf dem Porzellan und lachte laut, denn es war ein Gartenzwerg, der eine Teetasse in der Hand hielt – auf der ein Zwerg zu sehen war, der eine Teetasse …
Sieh an, dachte Pippa, Gartenzwerg-Merchandise, nicht nur witzig, sondern auch überaus geschäftstüchtig. Von Gartenzwergen allein kann niemand ein so großes Anwesen wie dieses erhalten und noch obendrein die Weißstorchwelt sponsern.
Sie stellte die Tasse ab und öffnete das Fenster, das in einen weitläufigen, umzäunten Garten hinausging. Dann hielt sie Ausschau nach dem Auslöser des rasenden Schattenspiels an der Zimmerdecke. Sie hatte mit allerlei Ausgefallenem gerechnet: einem eigenen Windrad zur Stromerzeugung oder einem Kinderkarussell als Ausstellungsfläche für Christabels Gartenzwerge, aber nicht mit dem, was sich ihr darbot. Sie blickte auf ein gigantisches Hamsterrad, in dem ein Malamut gerade einem olympischen
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