Ins Gras gebissen: Ein neuer Fall für Pippa Bolle (Ein Pippa-Bolle-Krimi) (German Edition)
wehen, und die Schuldigen werden ihrer Strafe nicht entgehen. Deshalb hütet euch! Hütet euch, sage ich: So dein Bruder an dir sündigt, so strafe ihn; und so es ihn reut, vergib ihm.«
Hartung war ebenfalls aus dem Café getreten und hatte Heinrichs Worten gelauscht, im Gesicht eine Mischung aus Faszination und Skepsis. Ihm war anzusehen, dass er den seltsamen Mann am liebsten aufs Präsidium geschleppt und dort nach allen Regeln der Verhörkunst auseinandergenommen hätte, aber er riss sich zusammen. Stattdessen fragte er: »Wie machen Sie das? Wahrsagen, meine ich.«
»Ich bin kein Wahrsager«, entgegnete Heinrich, »ich lese im Leben der anderen. Und wenn es seinem Ende zugeht, spüre ich, ob es ein gutes oder ein schlechtes Ende sein wird. Das ist alles.«
Pippa lief ein Schauder über den Rücken. Sie sah Hartung schlucken und wusste, ihm erging es ähnlich.
Heinrich betrachtete den jungen Kommissar ruhig und lange. »Machen Sie sich keine Gedanken, mein Junge. Sie müssen nur lernen, sich helfen zu lassen, dann werden Sie die Schuldigen finden.«
» Die Schuldigen?«, fragte Seeger interessiert. »Es sind mehrere?«
»Das spüre ich ganz deutlich«, bestätigte Heinrich.
Seeger nickte ihm kurz zu und reckte dann den Hals, als er Gabriele Pallkötter erspähte, die eben die Praxis von Doktor Wegner verließ und nun Kurs auf die Versammlung vor der Ade-Bar nahm. Als sie das Café erreichte, hielt er sie auf. »Frau Pallkötter, auch von Ihnen möchte ich noch wissen, wo Sie sich zum Zeitpunkt des Todes von Frau Heslich aufgehalten haben.«
»Wann soll das gewesen sein?«
»Exakt um 12.30 Uhr.«
Ein kurzes Grinsen huschte über Gabriele Pallkötters Gesicht. »In Wolfsburg.« Sie zeigte auf Pippa. »Die da kann das bestätigen, denn wir haben gemeinsam auf den Zug nach Oebisfelde gewartet. Doktor Wegner war so freundlich, uns dort abzuholen. Der Mann ist ja so zuvorkommend. Das ist noch ein Landarzt alter Schule.« Mit einem beredten Blick auf Heinrich fügte sie hinzu: »Und seine Medikamente helfen sogar.«
Heinrich hielt ihrem Blick gelassen stand. »Gegen das Böse in der Welt ist eben kein Kraut gewachsen, Gabriele.«
Die Dörfler hatten dem Wortwechsel gespannt gelauscht und nicht mehr auf den Fernseher geachtet, aber jetzt rief Erich: »Seht mal, die Jungs sind oben auf dem Nest!«
Alle wandten sich wieder dem Schaufenster zu. Im Monitor winkte Brusche ihnen zu, dann beugte er sich über das Nest, hob einen Gartenzwerg heraus und hielt ihn direkt in die Kamera.
Ein erstauntes Raunen ging durch die Menge.
»Daran hat der Storch herumgepickt?«, fragte Pippa ungläubig.
Lohmeyer starrte mit weit aufgerissenen Augen auf den Zwerg und schnappte nach Luft. »Aber das kann nicht sein! Das ist mein Lourdes-Wichtel!«
»Ihr was ?«, stellte Martha einmal mehr eine Frage, deren Beantwortung alle Storchwinkeler interessierte.
Lohmeyer fuhr sich nervös mit der Hand über die Stirn. »Das habe ich in Frankreich gesehen, in Lourdes«, erklärte er. »Es gibt dort Madonnen, bei denen man den Kopf abschrauben kann, um Weihwasser einzufüllen. Das brachte mich auf die Idee, eine entsprechende Wichtel-Version zu gestalten, als sicheres Depot für Haustürschlüssel oder wichtige Nachrichten.«
Pippa fand Lohmeyers Eifer liebenswert, konnte aber dennoch nicht verhindern, dass ihre nächste Frage ironisch klang. »Und wie muss ich mir das vorstellen? Kopf abdrehen, Schlüssel rein, Kopf wieder zu?«
»Genau so!« Lohmeyer nahm vor Bestürzung über das Auftauchen seines neuen Gartenzwergs den leichten Spott in ihrer Frage gar nicht wahr. »Die üblichen Verstecke wie Blumentöpfe oder die Fußmatte vor der Haustür sind viel zu gängig, die kennt jeder. Mein Lourdes-Wichtel hingegen, irgendwo im Garten platziert, garantiert maximale Sicherheit für das traute Heim.«
»Ich darf wohl annehmen, dass auch dies ein Plagiat des Prototyps ist, dessen Original sich im Safe von Herrn Hollweg befindet und ihn nicht verlassen hat. Jedenfalls nicht offiziell«, mutmaßte Seeger.
Lohmeyer war so erschüttert, dass er den Kopf hängen ließ.
»Das ist unerhört!«, rief Bartels. »Das ist Werksspionage!«
»Haben Sie eine Erklärung, Frau Gerstenknecht? Herr Hollweg?«, fragte Seeger. Beide schüttelten den Kopf.
»Zwei Tote – und zwei noch geheime Gartenzwerge«, sagte Hartung nachdenklich.
Zum zweiten Mal schauderte es Pippa. Was ging in diesem Dorf vor? In was war sie da wieder hineingeraten?
Sie trat
Weitere Kostenlose Bücher