Insalata mista: Aus dem Leben einer italienischen Working Mum
Kind, das nicht schläft, ist eine Zeitbombe für die Familie. Kinderweinen, das die Stille der Nacht zerreißt, bedroht das Gleichgewicht, die seelische Gesundheit und den Zusammenhalt des Elternpaares. Das häufige nächtliche Erwachen führt zu Schwindelanfällen, Mutlosigkeit, Gereiztheit, Erschöpfung. Kinder haben die Pflicht zu schlafen, Eltern haben ein Recht darauf.
Der große Hobbit hat im Alter von fünf Monaten aufgehört zu schlafen, und Elasti-Mama und Mister Wonder standen kurz vor dem Zusammenbruch.
»Das reicht, so geht es nicht weiter. Jetzt rufen wir Frau Doktor Tic Tac an, die Kinderärztin«, sagte Mister Wonder eines Tages, als der Hobbit zwischen den Gitterstäben seines Bettchens seiner Verzweiflung durch Schreien Ausdruck verlieh.
»Frau Doktor Tic Tac, was sollen wir tun?«
»Wenden Sie die Estivill-Methode an«, antwortete sie ohne Zögern.
»Aber der Hobbit ist doch noch so klein ...«
»Macht nichts.«
»Aber er weint so verzweifelt ...«
»Sein und euer Seelenfrieden stehen auf dem Spiel.«
»Aber Estivill ist ein Nazi!«
»Euer Eheglück steht auf dem Spiel.«
»Einverstanden, Frau Doktor, wir probieren es.«
Besagter Eduard Estivill, ein äußerst verschlagener katalanischer Kinderarzt, hat ein Buch mit dem unverfänglichen Titel So lernen alle Kinder schlafen verfasst, in dem er Eltern erklärt, wie sie ihren Kindern die schwierige Kunst des Schlafens, insbesondere des Einschlafens, beibringen können.
Da das Recht auf Schlaf eigentlich durch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte sanktioniert sein müsste und kleine Kinder einen Angriff auf dieses sakrosankte Recht darstellen, haben Señor Eduard und sein Buch weltweit Erfolg. Die Estivill-Methode beruht auf wenigen, aber genau definierten Prinzipien:
1. Der reizende Schlingel, den du in die Welt gesetzt hast, ist in Wirklichkeit ein kleines Ungeheuer, ein Feind, geboren, um dich zu zermürben.
2. In dir steckt ein kleiner Nazi. Auch wenn es dir nicht bewusst ist, irgendwo tief in dir lauert er. Diesem Feind gegenüber ist es an der Zeit, ihn herauszulassen.
3. Du musst ein Schlafritual schaffen. Denk dir aus, was immer dir behagt: eine Geschichte, eine Massage, ein Wiegenlied, tibetanische Mönchsgesänge. Was, ist Eduard egal, Hauptsache, das Ritual wiederholt sich immer wieder, zur gleichen Zeit und am gleichen Ort.
4. Es ist noch kein Kind daran gestorben, dass es zu viel geweint hat. Wenn also dein Nachwuchs in seinem Bettchen unmenschliche Schreie von sich gibt, mach dir nichts daraus: er leidet nicht, sondern wendet nur eine teuflische Strategie an, um dich kleinzukriegen und zu versklaven.
Und Folgendes spielt sich in Wirklichkeit ab.
20.30 Uhr. Der Kleine ist gebadet und gefüttert, er riecht gut und ist bester Laune. Er gibt goldige Triller von sich und beantwortet deine verzückten Blicke mit einem Lächeln. Du betrachtest ihn und fragst dich, wie es dir gelungen ist, ein derart vollkommenes Wesen hervorzubringen - genau so wäre es geworden, wenn du es dir hättest aussuchen können. Du glaubst, Mutter sein sei das Paradies.
20.40 Uhr. Eduards Ritual beginnt. Du legst dich aufs Bett und nimmst das Lieblingsbüchlein zur Hand. Du kuschelst dein Schätzchen an dich und ihr lest gemeinsam, der Inbegriff liebevoller Gefühle.
20.50 Uhr. Das Büchlein ist zu Ende gelesen, er sieht dich mit zitternden Lippen an. Lächelnd beschließt du, dass das Ritual nicht einfach so enden kann, und beginnst mit einer Babymassage, die das emotionale Band zwischen euch stärken soll. Du und er, Auge in Auge.
21.00 Uhr. Während der Massage macht er Aa auf dein Bett, das natürlich gerade frisch bezogen ist. Du lächelst weiter, innerlich aber fluchst du. Immer noch lächelnd machst du sauber, kommst aber zu dem Schluss, dass deine Hände jetzt negative Energie verströmen und der Moment gekommen ist, den Kleinen zu Ruhe zu betten.
21.05 Uhr. Du gehst in sein Zimmer, legst ihn in sein weißes Bettchen und sprichst mit sanfter, aber fester Stimme den Satz, den Señor Estivill dich gelehrt hat: »Mein kleiner Schatz, deine Mama hat dich sehr, sehr lieb. Aber jetzt musst du schlafen, und zwar alleine. Gute Nacht, mein Herz.« Und du gehst festen Schritts hinaus und lässt den nicht mehr so wohlriechenden Schlingel allein im Dunkeln zurück.
21.06 Uhr. Er wimmert. Eduard sagt dir, dass du fünf Minuten warten musst, ehe du reagierst.
21.10 Uhr. Jetzt darfst du reagieren. Der Kleine drüben weint inzwischen
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