Insel der glühenden Sonne
»Eine Anwaltskanzlei!«, rief Mrs. Harris. »Das ist eine ausgezeichnete Idee. Sie sollten es wagen, die zeigen Ihnen schon, wie es geht. Das könnte ich mir bei Ihnen sehr gut vorstellen.«
»Sie lesen doch so viele Bücher, da könnten Sie auch Anwalt werden«, meinte Louise.
»Woher weißt du das denn?«, fragte ihre Mutter.
»Weil er sich immer an den Bach geschlichen hat, um zu lesen. Ich habe ihn gesehen, wenn ich mit Tulip vorbeigeritten bin. Aber Sie sind ja gar nicht mehr bei Mr. Warboy. Wo wohnen Sie überhaupt?«
»Ich hatte Glück. Sie kennen doch Dr. Roberts, ich habe Sie mit ihm bekannt gemacht. Während er weg ist, hat er mir ein Zimmer in seinem Haus am Battery Point vermietet.«
»Wo ist er denn?«, wollte Louise wissen.
»Er wurde als Amtsarzt nach Port Arthur berufen. Also habe ich mich bereit erklärt, auf sein Haus und seine weltlichen Güter aufzupassen.«
Louise war bleich geworden. »Er hat uns gar nicht gesagt, dass er weggeht.«
Ihre Mutter zeigte Mitgefühl. »Vielleicht hatte er keine Zeit, Liebes.«
Sean horchte auf. War der Arzt etwa ihr Verehrer?
»Das stimmt. Er hatte kaum Zeit zu packen und ist sehr ungern abgereist.«
»Er wollte also nicht?«
Sean konnte ihr die erhoffte Antwort geben.
»Eigentlich nicht. Er sagte wörtlich, ihm bleibe keine andere Wahl. Die Anweisung kam von oben, er konnte nicht ablehnen.«
»Oh.« Sie verfiel in verblüfftes Schweigen. Mrs. Harris versuchte, das Gespräch wieder auf die Tomaten zu bringen, doch ihre Tochter entschuldigte sich bald und verschwand im Haus.
»Sie ist ein wenig durcheinander. Sie hat Dr. Roberts ziemlich gern.«
»Ein netter Kerl. Aber ich möchte Ihre Zeit nicht länger in Anspruch nehmen.«
»Sie dürfen noch nicht gehen, ich wollte Ihnen noch Tomatensamen mitgeben. Kommen Sie mit.«
Er steckte die Samen ein und bedankte sich für den Tee. Dann schlug er spontan vor, sie und Louise könnten sonntags einmal mit ihm den Nachmittagstee einnehmen.
»Ginge es nächsten Sonntag? Es wäre mir eine Freude, Sie zu begleiten.«
»Das wäre sehr nett. Louise muss mehr unter Menschen kommen. Wir könnten ein Picknick machen, dann bereite ich den Korb vor.«
»Eine wunderbare Idee.«
Er dachte über Mrs. Harris nach, während er den Weg entlangritt. Sie wirkte fröhlich, aber ihr spontanes Lächeln war verschwunden, sie schien resignierter als zuvor. Das Gefühl der Resignation kannte er nur zu gut, doch es war noch immer schwer zu ertragen.
Louise erwartete ihn am offenen Tor.
»Danke, das spart mir das Absteigen. Ich wusste doch, dass Sie ein liebes Mädchen sind.«
Sie schüttelte den Kopf und streckte ihm einen Brief hin. »Sean, den müssen Sie für mich abschicken, er ist wichtig. Sie hat Ihnen von meinem Vater erzählt, nicht wahr?«
»Ja, und das macht mir gar nichts aus, warum auch?«
»Aber hat Sie Ihnen auch gesagt, wo er ist?«
Das war mir bereits klar. »Nein.«
»Man hat ihn nach Port Arthur geschickt, wo wir ihn nicht einmal besuchen können. Meinen eigenen Vater! Bitte schicken Sie ihm den Brief, ich weiß, dass Sie es können. Außerdem habe ich Ihnen damals den Gefallen getan, zu Mr. Bailey zu gehen. Damit wären wir dann quitt.«
Sein Pferd tänzelte nervös, sie sprang zur Seite. »Sagen Sie ja!«
»Ich sehe zu, was ich tun kann.«
Louise strahlte ihn an. »Ich weiß, dass Sie es schaffen! Wird Dr. Roberts denn gelegentlich nach Hobart kommen? Port Arthur ist doch nicht so weit entfernt.«
»Mag sein.«
»Dann müssen Sie mir vorher Bescheid geben.«
»Wäre das alles? Keine Nachricht für mich?«
»Na los, Sie machen sich doch nur lustig über mich.«
Und mir war immer, als wäre es andersherum, dachte er, als er die Sassafras Road hinunterritt.
Flo Quinlan bedauerte, dass er Shanahan verpasst hatte. Es hieß, Zack habe ein Auge verloren, doch niemand wusste Genaueres. Der Ire hätte es ihm sagen können.
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