Insel der glühenden Sonne
britischen Polizei in Kalkutta gedient hatte. Daher freute sich der Arzt, als Hippisley ihn auf einen Drink in sein Lieblingspub einlud.
»Was gibt es? Warum der plötzliche Ruf zu den Waffen?«
»Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten.«
»Nur zu.«
»Es geht um eine Ihrer Patientinnen, Miss Penelope Warboy.«
»Sie ist nicht meine Patientin.«
»Sie war es aber.«
»Das stimmt.«
»Da Sie ein Kind erwartet, hatte ich gehofft, Sie könnten bei ihr vorbeischauen und sehen, wie es ihr geht.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Es hat mit dieser Vergewaltigung zu tun. Die Sache lässt mir keine Ruhe.«
Jellick runzelte die Stirn. »Das überrascht mich nicht. Sie ist nämlich nie vergewaltigt worden.«
»Ich weiß. Aber es gibt nun eine weitere Vermutung, wer der Kindesvater sein könnte.«
»Tatsächlich? Und wer?«
»Ihr eigener Vater. Aber das bleibt unter uns.«
Jellick pfiff durch die Zähne, Köpfe wandten sich ihnen zu.
»Wie gesagt, kein Wort darüber. Jemand hat eine Aussage gemacht. Er sah die beiden in einer kompromittierenden Situation.«
»Warum zum Teufel hat er so lange damit gewartet?«
»Er war verreist. Darum möchte ich, dass Sie Miss Warboy in Ihrer Eigenschaft als Arzt aufsuchen. Sie wohnt mit einem Hausmädchen draußen in Sandy Bay. Sie ist nicht ganz bei Verstand, und ich vermute, dass ein ärztlicher Besuch durchaus angebracht wäre.«
»Vielleicht hat sie bereits einen Arzt.«
»Nein, ich habe mich erkundigt.«
»Ihre Eltern sind nicht mehr hier, aber Barnaby Warboy. Er könnte etwas dagegen haben.«
»Sie waren ihr Arzt, da dürfen Sie sie ruhig aufsuchen. Und einige subtile Fragen stellen, aber nicht zu direkt, wenn Sie mich verstehen. Eine Plauderei mit dem Hausmädchen wäre ebenfalls angebracht.«
Er bestellte noch zwei Gläser Gin. »Falls nicht, wird dieser Fall endgültig geschlossen. Die Leute behaupten noch immer, McLeod sei unschuldig. Ich möchte ungern, dass ein Unschuldiger für Jubal Warboys Taten bezahlt.«
»Nach dem, was ich gehört habe, lässt er ihn nicht nur bezahlen, er hat ihn auch in aller Öffentlichkeit der Vergewaltigung bezichtigt.«
Marie empfing den Arzt. Sie hatte sich Sorgen gemacht, da Penn in letzter Zeit unter Bauchschmerzen litt, doch Dr. Jellick erklärte, sie sei bei bester Gesundheit, die Schmerzen würden durch die gespannte Haut verursacht.
Er war freundlich und plauderte mit ihr, während er Penn untersuchte. Sie hätten ja ein nettes, ruhiges Plätzchen gefunden und ob Miss Warboy unter den Nachwirkungen der Vergewaltigung gelitten habe. Marie hatte rasch vom Thema abgelenkt.
»Nein, es sieht nicht so aus.«
Doch Jellick, der nicht gerade für seinen Takt berühmt war, hatte interessiert zugehört, als Penn von Angus erzählte, den sie heiraten wollte. Er stellte ein paar unverblümte Fragen, die sie offen und in aller Unschuld beantwortete.
»Das wird Hippisley interessieren«, murmelte er zornig.
19. Kapitel
Sean erwies sich als sehr fähig und folgsam, obschon er mit seiner Arbeit nicht sonderlich glücklich war. Er empfing Klienten, führte sie pünktlich in Mr. Pitcairns Büro, schrieb Briefe ab, stellte Quittungen aus, erledigte die Ablage, nahm Nachrichten von Gerichtsboten entgegen und führte die Klienten hinaus.
Keine besonders männliche Tätigkeit, fand er, spürte aber unterschwellig, dass dieser Weg der richtige für ihn war.
Und einen Anreiz hatte die Arbeit dann doch – nämlich die Fälle, die Mr. Pitcairn vorgetragen wurden. Neugierig, wie er war, interessierte er sich ungemein für die Angelegenheiten der Klienten, ihr verzweifeltes Flehen, der Anwalt möge sie vertreten, die wütenden Forderungen, die gegnerische Partei endlich zu verklagen.
Das Wichtigste lernte er aus den Notizen und Briefen des Anwalts, da sich die meisten Klienten in Seans Gegenwart mehr als schweigsam verhielten. So still hatte er selbst ja auch in Baggotts Vorzimmer gesessen. Andere hingegen mussten sich einfach
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