Insel der glühenden Sonne
kann?«
Roberts hielt sich ein Taschentuch vor die Nase. »Das halte ich nicht länger aus. Sie haben nicht zufällig vor, weitere Briefe an den Gouverneur zu verfassen? Hätte Mr. Warboy sich nicht für Sie verwendet, würden Sie jetzt hinter Gittern sitzen.«
»Ich muss an meinen Vater schreiben. Er sorgt sich, es könne mir wie seinem Neffen gehen.«
Roberts schüttelte den Kopf. »Na schön. Kommen Sie auf dem Rückweg bei mir vorbei. Tinte haben Sie wohl auch keine, oder?«
»Jetzt, wo Sie es sagen, nein.«
Sean lenkte den Einspänner aus der Stadt hinaus nach Battery Point, wo der Arzt wohnte. Er mied die Siedlung, weil die Polizei ständig Kontrollen durchführte, die ihm nicht behagten, auch wenn seine Papiere in Ordnung waren. Da war er weitaus vorsichtiger als Singer Forbes, der ständig in Schwierigkeiten geriet und Unruhe stiftete.
»Es hat keinen Sinn, die Leute zu verärgern«, hatte Dr. Roberts gesagt, als er nach den letzten Prügeln Singers Kopfwunde nähte. »Niemand findet es komisch, also hör auf damit. Ich habe Besseres zu tun, als euch ständig zusammenzuflicken.«
Darin war der Arzt ziemlich naiv, denn meist lenkte Forbes mit seinem Unsinn nur von schwerwiegenderen Vorfällen ab, die in seiner Nähe stattfanden.
Aber Roberts war ein gutherziger Mensch, der selbst eine anarchistische Ader besaß. In seinen Artikeln für die Lokalzeitung erklärte er sehr deutlich, dass man die Männer nie hätte deportieren, ja nicht einmal einsperren dürfen, da sie meist nur kleinere Vergehen und keine echten Verbrechen begangen hatten. »Es waren arme Leute«, wetterte er, »die es mit machthungrigen Richtern aufnehmen mussten, kleinen Männern mit noch kleineren Gehirnen, die entsetzliche Strafen verhängten, weil jemand Nahrungsmittel oder ein Taschentuch gestohlen hatte oder als Dienstbote ungehorsam gewesen war. Dann wäre da noch das klassische Beispiel des Jungen zu nennen, der seinem eigenen Vater ein Paar Stiefel gestohlen hatte.«
Roberts nannte diese Menschen die »Glücklosen«. Nachdem Shanahan seine Ansichten gelesen und herausgefunden hatte, dass der Arzt aufrichtig versuchte, ihr Los zu erleichtern, indem er ihre Familien anschrieb und einigen sogar half, als Siedler nach Van Diemen’s Land zu kommen, entschloss er sich, das Risiko einzugehen.
Er fragte Roberts, ob er ihm hier und da Informationen über Leute zukommen lassen könne, die unter »besonders schlimmem Heimweh« litten.
Damals behandelte ihn der Arzt wegen eines Arbeitsunfalls, bei dem er sich mit der Axt am Bein verletzt hatte. Er schloss rasch die Tür des Behandlungszimmers.
»Reden Sie etwa von Fluchthilfe?«
»Ich rede von den Glücklosen, die nicht hierher gehören, Sir. Ich kenne eine Frau, der es das Herz gebrochen hat, ihre Kinder zurückzulassen …«
»Hören Sie auf. Welche Informationen?«
»Über Schiffe. Mögliche Verstecke, in denen man notfalls unterkommen kann. Wie eine Arztpraxis, in der sich sogar Regierungsbeamte behandeln lassen.«
»Nein, Shanahan, nein!«
»Können Sie Ihnen wirklich nicht helfen? Schade, ich hatte Sie für einen mitfühlenden Mann gehalten. Da habe ich Sie wohl falsch eingeschätzt, Sir.«
»Ganz gewiss. Ich unterstütze keine Gesetzesverstöße. Man kann sich um Menschen sorgen, aber Vergehen ist Vergehen. Ich trete für eine gerechte Behandlung ein, während sie hier sind, und ermutige freie Siedler, sie zu unterstützen.«
»Sicher, und es ist furchtbar schade, wie wenige den Sträflingen wirklich helfen … Die arme Frau hatte sich eben Hoffnungen gemacht. Aber die sterben schnell in diesem Land, was?«
Sean biss in einen Apfel, den er bei Pollard geklaut hatte, und lenkte den Einspänner in die Cromwell Street. Wunderbare Äpfel wuchsen hier, die besten der Welt.
Er erinnerte sich an Gertrude Farrell, der Roberts geholfen hatte, indem er sie für geisteskrank erklärte. Daraufhin erhielt sie als eine der wenigen Glücklichen eine kostenlose Rückfahrt nach England.
»Nur eins«, hatte Sean ihr noch ans Herz gelegt. »Unser Doktor möchte keine Dankesbriefe.«
Gertrude war absolut zurechnungsfähig, aber
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