Insel der Nyx: Insel der Nyx, Die Prophezeiung der Götter
sie vorbeikamen, flackerten ein letztes Mal auf und erloschen. Schließlich flossen die Kreaturen erneut in die Breite und teilten sich ein weiteres Mal.
Niemand außer Philine schien sie zu sehen. Aber die Menschen wichen den Schatten aus. Die Tanzfläche leerte sich auf der Seite, die in die Dunkelheit zeigte. Auch die Leute, die auf den abgelegenen Bierbänken saßen, verließen ihre Plätze und setzten sich näher ans Feuer. Selbst an der Theke, die am Kreis der Fackeln entlanggebaut war, wurde es plötzlich immer leerer.
Die beiden Schattengestalten hatten sich inzwischen in mehr als fünfzig Klone geteilt. Schulter an Schulter formierten sie sich zu einem großen Kreis rings um den Festplatz, bis nur noch die Seite des Kreises fehlte, auf der Philine und Eleni mit den anderen standen.
Was würde passieren, wenn die Gestalten sie erreichten? Wenn sie einen von ihnen berührten?
Sie mussten weg von hier! Und sie mussten sich entscheiden, ob sie innerhalb oder außerhalb des Kreises sein wollten!
»Zum Feuer.« Alexos räusperte sich, um den brüchigenKlang aus seiner Stimme zu vertreiben. »Lasst uns näher ans Feuer gehen, dann wird es wärmer.«
»Gute Idee.« Auch Kimons Stimme klang belegt. Seine Hand griff wieder nach Philines. Seine Berührung hatte etwas Beruhigendes, sie wollte zu gerne mit ihm mitgehen – bis sie bemerkte, dass Eleni hinter ihnen zurückblieb.
»Wartet!« Sie löste ihre Hand aus Kimons und drehte sich zu ihrer Freundin um.
Leándra blieb ebenfalls stehen. Sie murmelte etwas. Philine verstand die deutschen Worte nicht, aber es klang wie ein ängstlicher Fluch.
»Geh ruhig mit den anderen«, flüsterte Philine ihr zu. »Und nimm Kimon mit. Ich hole Eleni.«
Leándra nickte. Auch wenn sie die Schatten nicht sehen konnte – sie schien zu wissen, dass etwas Bedrohliches vor sich ging. Nahezu erleichtert lief sie zu den Jungen, fasste Kimon an der Hand und zog ihn mit sich, bis zum Lagerfeuer in der Mitte des Festplatzes.
Die Schatten waren langsamer geworden, während sie sich wenige Meter entfernt ein weiteres Mal teilten. Philine versuchte, den schwarzen Schattengesichtern auszuweichen. Sie durfte ihnen nicht in die Augen blicken, sonst würden die Kreaturen bemerken, dass sie sie sehen konnte.
So gelassen wie möglich trat Philine aus dem Kreis heraus und folgte Eleni, die immer weiter in die Dunkelheit ging.
Als die finsteren Gestalten den Kreis hinter ihr schlossen und das Licht der letzten Fackel erlosch, wehte plötzlich ein heftiger Wind vom Meer heran.
Wieder verdunkelte sich der Himmel. Philine legte den Kopf in den Nacken und fürchtete, dass weitere Kreaturenvon der Insel herüberflogen. Aber es waren nur Wolken, schwarze Berge, die sich über den Himmel schoben und das Licht des Mondes verschluckten.
Plötzlich konnte sie ihre Freundin in der Dunkelheit kaum noch ausmachen. Es dauerte einen Moment, ehe sie Eleni wiederfand. Sie ging direkt auf den Schatten zu, der die ganze Zeit hinter ihnen verharrt hatte.
Philines Herz raste. Aber sie durfte ihre Freundin nicht im Stich lassen.
Direkt vor der Gestalt blieb Eleni stehen. Sie blickte an dem Schatten vorbei auf das Meer, genau dorthin, wo die Insel in der Finsternis schlummerte.
Unvermittelt fing sie an zu sprechen: »Unser Weg hat gerade erst begonnen.« Es klang wie in Trance, eine düstere Prophezeiung. »Der Junge ist noch auf der Suche. Er trotzt den dunklen Plänen nun schon so lange. Sie geben ihm nicht das, was er zu finden erhofft. Doch bald schon wird die Einsamkeit schwer genug werden, um ihn zu brechen.« Eleni wandte ihren Kopf zur Seite und blickte den dunklen Mann an. »Um seine Seele gilt es zu kämpfen, wie um die Seelen so vieler. Wir müssen dorthin zurück, von wo aus die Welt verwandelt werden soll.«
Der Mann deutete ein Nicken an. Eleni blickte furchtlos in die Schwärze unter seiner Kapuze, dorthin, wo seine Augen sein mussten.
Schließlich hob er die Hand und strich in einer zärtlichen Geste über ihre Haare. Elenis Körper wurde schlaff, sackte in sich zusammen. Philines Beine zuckten, sie wollte ihrer Freundin helfen. Aber der Schattenmann fing sie auf und hob sie auf seine Arme.
Philine erstarrte, das Blut rauschte in ihren Ohren, während der Schatten sich über Elenis Gesicht beugte. Unter der dunklen Kapuze war nicht genau zu erkennen, was er tat. Aber seine Bewegung erschien liebevoll, fast so, als würde er Eleni auf die Stirn küssen.
Für einen Moment befürchtete
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