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Insel der schwarzen Perlen

Insel der schwarzen Perlen

Titel: Insel der schwarzen Perlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noemi Jordan
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jagten vielen große Angst ein. Ein gewöhnlicher Arbeiter würde von alleine ohnehin nie zum Arzt oder ins Krankenhaus gehen, was den Teufelskreis einer ansteckenden Krankheit noch verstärkte. Ein Hawaiianer hingegen vertraute seinen Kahuna. Die wollten aber schon lange nichts mehr von den westlichen Scharlatanen – so nannten sie inzwischen alle westlichen Ärzte – wissen. Dabei wäre es dringend notwendig gewesen, zusammen eine Lösung zu finden, da immer mehr Hawaiianer an Infektionskrankheiten starben.
    Elisa wollte zumindest versuchen, Einblick in die Hansensche Krankheit zu gewinnen, dafür musste sie unbedingt den Doktor noch stärker für sich gewinnen. Aber auch Hoku würde sie in den Bergen um Rat fragen. Vielleicht mussten sie gemeinsam mit der Tausend-Nebel-Pflanze zum Kern von Mai Pake reisen, um zu verstehen, wie man die Krankheit heilen konnte. Über diesem Gedanken fielen ihr die Augen zu.
    Drei Wochen später war es so weit. Im Morgengrauen wartete das schwarze Schiff am Kai vor dem Kalihi-Hospital auf die verlorenen Seelen, die an diesem Tag für immer ihre Familien verlassen würden. Die meisten von ihnen hatten bis zu diesem Tag einige Zeit im Kalihi-Hospital in den verschiedenen Isolierstationen verbracht, daher wussten sie ungefähr, was auf sie zukommen würde. Auf den Fluren der Krankenhäuser hatte man ihnen Trost zugeflüstert, aber auch von dem neuen Grauen berichtet. Es gab in der Leprakolonie seit 1909 eine vom amerikanischen Kongress autorisierte Forschungsstation in Kalawao, in der angeblich Experimente an Kranken durchgeführt wurden.
    Plötzlich hörte Elisa ihren Namen. »Fräulein Vogel …«
    Â»Victoria, was machst du denn hier?«
    Elisas Tochter war mit ihrem Vater unter den Zuschauern, die an diesem frühen Morgen dem Abtransport der Kranken vom Kalihi-Kai zusehen würde. Victoria lächelte unsicher.
    Â»Mein Onkel Heinrich ist der neue leitende Professor für die Forschungsstation. Wir begleiten ihn zum Schiff.«
    Sie deutete auf einen älteren Mann, der mit Gerit Janson und dem britischen Doktor zusammen an der Seite stand. Heinrich Janson musste mindestens zehn Jahre jünger als sein Bruder sein, dennoch war eine gewisse Familienähnlichkeit nicht zu übersehen.
    Â»Victoria!«
    Â»Dein Vater ruft …«
    Â»Ich gehe schon … nur war ich so froh, Sie hier zu sehen und auch Eli. Hallo, Eli, wie geht es dir?«
    Eli war extra aus den Bergen Oahus gekommen, um seinem Pa ein letztes Lebewohl zu winken. Mit seinen sechzehn Jahren war er ein stattlicher junger Mann, gut einen Kopf größer als seine Mutter. Victoria und er gaben sich die Hand, wobei es Elisa so vorkam, als würde die junge Frau leicht erröten.
    Auch Gerd und Emma gaben Victoria die Hand und Ulani ebenfalls. Elisa konnte sehen, wie es in Ulani arbeitete. Seit dem Tag, an dem sie darüber gesprochen hatten, ob Victoria möglicherweise Ulanis Halbschwester war, hatte Elisa den Rubinring nicht mehr an ihrer Hand gesehen.
    Â»Ich … ich muss zurück zu meinem Vater. Ich freue mich sehr, Fräulein Vogel, dass wir uns hier begegnet sind.«
    Mit artigem Knicks verabschiedete Victoria sich und ging zu den drei Männern zurück.
    Auch Johannes war gekommen. Elisa sah ihn mit Keliis Mutter und seinen beiden Kindern Thomas und Elisabeth bei den Kutschen der Familienangehörigen stehen. Leilani war in der Woche zuvor verstorben, weswegen alle vier Trauerkleidung trugen. Elisa war nicht bei der Beerdigung in Kauai gewesen, doch sie hatte bereits von Johannes gehört, wie tapfer die Kinder den Tod der Mutter begleitet hatten. Es musste ein würdiger Abschied gewesen sein. Leilanis Mutter wirkte wie versteinert. Die stolze Hawaiianerin, die gerade erst ihre Tochter verloren hatte, kam heute, um ihrem Sohn für immer Lebewohl zu sagen.
    Jetzt entdeckte Elisa auch die Kutsche von Lili’uokalani im Hintergrund. Sie wollte mit ihrer Anwesenheit bestimmt kein unnötiges Aufsehen erregen.
    Â»Ma, da sind sie!«
    Emma hatte ihren Vater und Okelani zuerst entdeckt. In einer Gruppe von Kranken, von denen viele weinten und ihren Angehörigen, die hinter der Absperrung standen, ein letztes Mal zuwinkten, ragte Keliis Kopf heraus. Sein Gesicht war gleichmütig und edel, sein muskulöser Körper nach alter hawaiischer Tradition bis auf ein Tuch um seine Lenden unbedeckt. Er trug nichts bei

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