Insel der schwarzen Perlen
kleine Moana ⦠wie konnte das passieren?«
Ihre Stimme wurde immer leiser. Die Worte Kalaupapa und Mai Pake wagte auch die gestandene Tutu nur zu flüstern. Kalt wurde es in der warmen Sommernacht, als sie an das Schicksal der vielen Verdammten dachten, die seit Jahren auf den Inseln eingesammelt und nach Molokai verschifft wurden.
»Was tun wir dagegen, Elisa? Du bist Kahuna â¦Â«
»Kelii ist auch Kahuna ⦠es hat ihm aber nichts genutzt.«
»Zu viele Verluste hat Mai Pake in den letzten Jahren gefordert ⦠Die frisch zugezogene junge Frau in Lihue, in unserer Gemeinde, wie hieà sie noch, die Braut von Noah?«
Die junge Halbchinesin, Tochter eines frühen Einwanderers und einer Einheimischen, war von dem Doktor und den Polizisten mitten in der Nacht abgeholt worden. Man sprach nicht öffentlich darüber, auch Noah behielt seinen Schmerz in der Gemeinde für sich. Man war froh, selber gesund zu sein, denn es konnte jeden treffen. Mai Pake traf nicht nur die armen Einwanderer oder ausschlieÃlich die Chinesen, sondern vor allem die Hawaiianer steckten sich oft an. Am wenigsten oft traf es die reichen WeiÃen. Und wenn es einen Fall gab, konnten sie bisweilen den Quarantänebedingungen der Lepra entgehen, indem sie die Ãrzte bestachen. Doch bei einer Ansteckung im Gefängnis war das unmöglich.
Eine Therapie, ein wirksames Gegenmittel oder nur Linderung für die oft grauenvollen Schmerzen, die mit dem Fortschreiten der Krankheiten einhergingen, waren bisher nicht gefunden. Auch die Kahuna waren weitgehend ratlos, wie Elisa wusste. Eine Reihe von Krankheiten hatten die Insel in den letzten fünfzig Jahren heimgesucht, darunter Beulenpest, Gelbfieber und eine Masernart, die vor allem vielen Kindern das Leben gekostet hatte.
Strafe der Götter, sagten viele Kahuna, unten ihnen auch Hoku, wie Elisa wusste. Ihr habt unser Land und unsere Götter verraten, um euch dem bleichen Christus zu FüÃen zu werden. Dafür sollt ihr in Peles Vulkanfeuern schmoren â¦
Westliche Mediziner gaben dem über Jahrhunderte isolierten Immunsystem der Insulaner die Schuld dafür, dass sie so anfällig waren und auffällig oft an den eingeschleppten Krankheiten starben. Genau darin sah Elisa einen klitzekleinen Funken Hoffnung.
Sie brachte Amala ein Buch auf die Lanai, in dem sie gemeinsam blätterten.
»Liliâuokalani hat es für mich extra aus Frankreich kommen lassen. Sieh mal ⦠dieser Mann da heiÃt Louis Pasteur. Schon als ich ein junges Mädchen war, hat mein Vater mir nach seinen Südseeinselreisen beigebracht, dass viele Krankheiten dort wahrscheinlich heilbar wären, wenn man nur wüsste, wie â¦Â«
Lange lag Elisa in dieser Nacht noch in ihrem kleinen Schlafzimmer wach und las sich durch die Schriften von Louis Pasteur. Sie wusste, der Doktor bewunderte sowohl Pasteurs Theorien über Impfstoffe als auch vor allem seinen Forschergeist. Nun war die Hansensche Krankheit auch in Europa bisher noch nicht heilbar. Das war eine Tatsache. Sie war erst seit wenigen Jahrzehnten auf den Inseln bekannt, und man wusste noch wenig über ihre Verbreitung. Mit den ersten Einwanderungswellen der Chinesen wurden die Symptome zunächst in Honolulu in dem ärmlichen Viertel Chinatown häufiger entdeckt. Die westlichen Ãrzte machten zunächst Dreck, Ratten, Moskitos, aber vor allem die mangelnde Hygiene der armen Einwanderer für die meisten ansteckenden Krankheiten verantwortlich, so auch für die Hansensche Krankheit.
In Honolulu hatte sich ein ganzes Komitee von Ãrzten aus aller Welt eingefunden. Im Fall der Hansenschen Krankheit nutzten sie die sich häufenden Fälle auf den Inseln zu Forschungszwecken. Sie recherchierten so genau wie möglich, wie es zu den Ansteckungen kam. Bei der Cholera, der Beulenpest, den Masern, dem Gelbfieber oder auch der Hansenschen Krankheit, stets bestimmte das Ãrztekomitee über die erforderlichen MaÃnahmen zum Schutz der gesunden Bevölkerung. Aber sie verfolgten auch eigene Interessen, wie Elisa von Doktor Wellington wusste. Mancher von ihnen brachte aus Europa, Amerika und Australien einen unstillbaren Forschergeist mit und wollte sich vor allem profilieren.
Die Kontrollen auf den Inseln durch die Polizei und die Ãrzte, das Denunzieren durch Nachbarn, die mit Geld geködert wurden, sowie das systematische Aussieben von angeblich ansteckenden Kranken
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