Insel der schwarzen Perlen
unendlich erschöpft aus, andere waren abgemagert. Eine hochgewachsene Hawaiianerin hatte eine Gruppe Schulkinder um sich geschart. Maja erkannte Nalani, die Frau von Makaio und die leibliche Mutter von Eli und seinen drei älteren Brüdern. Nalanis Haar war inzwischen von grauen Strähnen durchzogen, ihr Körper drahtig und ausgemergelt von der vielen Arbeit, dabei war sie erst in Elisas Alter. Mit vor Schreck aufgerissenen Augen beobachtete Nalani mit ihren Schützlingen, wie die Soldaten die jungen Männer, die sie fangen konnten, ohne Gnade traten und auf sie einprügelten. Einer der drei jungen Männer suchte Schutz bei der stolzen Frau, wurde aber schnell von ihr fortgerissen, mit Seilen gebunden und mit anderen weggezerrt. Seine Mutter wollte es verhindern und wurde so hart beiseitegestoÃen, dass sie stürzte und aus einer Kopfwunde blutete. Immer noch halb verborgen hinter dem Baum stand die verzweifelte Elisa und hielt Eli am Arm fest, da er seinen Brüdern helfen wollte. Nichts hätte er lieber getan, als sich ebenfalls den Ananasrebellen anzuschlieÃen, selbst wenn es Gefangenschaft bedeutet hätte.
Die Bilder kamen schnell hintereinander und teilweise auch fragmentiert zu Maja, wie Ausschnitte eines Filmes, in dem die Hälfte fehlte, weil der Empfang schlecht war.
Elisa trug ein mumu, das traditionelle hawaiische Kleid. Sie war auf den ersten Blick nicht von den anderen Frauen zu unterscheiden, ihre Verzweiflung war genauso spürbar wie die ihrer Freundin Nalani, als sie deren Kopfwunde verarztete.«
»Wir müssen unsere Söhne retten ⦠wir müssen etwas tun. Wir wollen doch nur unser Land nicht verkaufen, warum werden wir dafür so erbarmungslos bestraft? Warum achtet man unsere Rechte nicht? Ist es nicht das Land unserer Götter?«
Elisas Blick schien direkt auf Maja gerichtet, bevor sie von einer älteren Frau, deren Gewand mit Vogelfedern geschmückt war, vom Geschehen weggezogen wurde. Eli blieb bei Nalani zurück, um ihr mit den weinenden Kindern zu helfen.
Hoku und Elisa gingen einen Weg entlang, der nach oben in die Berge führte, dann waren sie verschwunden. Nur ihre Worte hörte Maja noch im Nebel.
Unser Land blutet, du musst uns helfen, Maja.
Als Maja ihre Augen aufschlug, saà neben ihr auf dem Felsen ein Gecko. Es war noch ein junges Tier, neugierig und vor allem interessiert an der glatten Oberfläche von Majas iPhone. Es vibrierte, doch davon lieà sich der Gecko nicht stören. Vorsichtig nahm Maja das iPhone ein wenig hoch, doch er lieà nicht los. Die Saugnäpfe an den FüÃen, noch fast durchsichtig, waren schon sehr stark. Mit ihrer Hilfe hielt der Gecko sich kurz an dem vibrierenden iPhone fest, dann lieà er los, hüpfte davon und verschwand in einer Felsspalte, während Maja den Anruf beantwortete.
Ihr Vater war auf der Suche nach einer Mandantin, wie er erklärte, würde aber bald nach Kauai zurückkehren. Maja erzählte ihm nichts von den Elisa-Bildern, auch erwähnte sie nicht, dass sie alleine am Wasserfall war, denn er würde sich nur Sorgen machen. Ohnehin sagte er am Telefon mehrfach, sie solle vorsichtig sein. Aber Vorsicht vor was? Ihrem Baby ging es gut, soweit sie es beurteilen konnte, und ihr Herz schlug wunderbar ruhig hier am Wasserfall inmitten der tropischen Vegetation, die vor Leben pulsierte. Es war ein magischer Ort. Nachdem sie den Anruf beendet hatte, brauchte sie nicht lange zu warten, bis der Gecko wieder aus seinem Versteck kam und ihr Handy weiter untersuchte.
SchlieÃlich konnte sie das iPhone mit ihm länger hochnehmen und ihn ganz aus der Nähe betrachten. Wie fein seine Augen waren und wie intelligent sie wirkten, dachte Maja und hielt ihm ihren Finger hin. Ob er glatte Fingernägel mochte? Er hatte keine Angst, sondern krabbelte zutraulich über ihren Fingernagel auf ihren Finger und dann auf ihren Handrücken. Sie war ganz leise, um ihn nicht zu erschrecken, und wagte kaum zu atmen. In diesem Moment nahm sie aus ihrem Augenwinkel eine Bewegung am Wasserfall wahr. Hinter dem Vorhang aus Wasser sah sie honigbraune Haut. In der Höhle war jemand, der hinter dem Wasservorhang tanzte. Sie konnte den Körper zuerst nur schemenhaft erkennen, dann war er wieder verschwunden. Mal ging er in die Knie, dann drehte er sich mit wild wirbelnden Armen; seine Bewegungen verschmolzen zu einem Tanzritual, das zeitlos wirkte. Dann hielt die Gestalt
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