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Insel der schwarzen Perlen

Insel der schwarzen Perlen

Titel: Insel der schwarzen Perlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noemi Jordan
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eine pochende Bauchwunde hineingezogen. Sie verstand den Schmerz, denn sie befand sich mitten in einem erbitterten Kampf um das Leben selber. Doch dann trieb die Tausend-Nebel-Pflanze Elisas Seele weiter in ein Meer aus majestätisch dunklem Blau.
    Das Nächste, was ihr bewusst wurde, war ihre veränderte Form. Elisa war ein Pfau. Sie stolzierte zusammen mit anderen Pfauen im Garten von Gouverneur Janson umher und bewachte das herrschaftliche Anwesen. Alles erschien ihr im Gegensatz zu früher ein wenig verwahrlost, Blütenblätter wurden von einem lauen Sturmwind durch den Garten getrieben, und sie hörte das lustvolle Stöhnen eines Mannes. Es war ein vertrauter Rhythmus in ihrem Pfauenohr. Sie sah zu dem Balkonfenster mit dem angelehnten Fensterladen hinauf, nahm mit ihren schweren Federn Anlauf und sprang mehr, als sie flog. Es war eine ungeschickte Landung, doch sie hatte die erwünschte Wirkung. Der Gouverneur ließ von dem weinenden Mädchen ab. Elisa wurde schwindelig. Es war das Zimmer und vor allem das Grauen, weswegen sie wie vor einigen Jahren die Insel verlassen musste. Nur lag diesmal nicht Elisa auf dem Bett, sondern ihre Tochter Victoria.
    Der Gouverneur war aufgestanden, zog sich die Hose hoch und griff zu seinem bereitgelegten Revolver.
    Â»Endlich hab ich dich … verdammtes Vieh!«
    Elisa spürte sich in tausend Stücke zerspringen, als die Kugel ihren Pfauenkopf traf, doch schien ihr Bewusstsein dabei keine einzige Sekunde getrübt. Eine Millisekunde später befand sie sich im Auge eines zweiten Pfauenmännchens. Wieder sah sie auf das Herrenhaus. Elisa realisierte eine Zeitverschiebung, denn inzwischen warf das Abendlicht weite Schatten in den parkähnlichen Garten. Dann kam Victoria hinaus. Wie schön ihre Tochter war und wie zerbrechlich, dachte Elisa. Langsam folgte sie mit den anderen Pfauen der traurigen jungen Frau, die mit ihrer Dienerin zusammen den großen edlen Vogel bestattete. Sie blieb dicht an Victoria dran und beobachtete ihre Hand. Sie zitterte und hielt verkrampft den Rock vor ihrem Schoß fest, so als müsste sie etwas beschützen. Dann sah sie die verdächtige Wölbung. In Elisa zerbrach mehr als nur ihr Mutterherz. Sie verlor in diesem Moment den Glauben an die schützende Hand, zu der sie jede Nacht für Victoria betete. Ihre Tochter war in den Händen eines Teufels. Wie hatte Elisa sich nur am Hafen täuschen lassen können, als Janson scheinbar zivilisiert mit ihr sprach? Wie lange er ihre Tochter wohl schon schändete? Und wie würde er das Kind erklären, das sie ihm gebären würde?
    Da hörte sie Victoria mit ihrer Dienerin sprechen. In Kürze würde sie auf Wunsch ihres Vaters mit einem von Piet van Weens rothaarigen Söhnen verheiratet werden, den sie allerdings kaum kannte. Die jungen Frauen sprachen über das Hochzeitskleid, das am morgigen Tag angeliefert werden würde. Victoria ließ sich nicht das kleinste bisschen von dem Grauen anmerken, das sie noch vor wenigen Stunden zum Weinen gebracht hatte. Tapfer lächelte sie ihr vornehm zurückhaltendes Lächeln und sprach über Banalitäten. Jedes ihrer seelenlosen Worte schnitt mitten in Elisas Herz.
    Â»Komm zurück … hörst du … lass den Pfau gehen.«
    Hoku berührte Elisas Hände und Füße, dann scheuchte sie mit einem Fächer aus Federn die letzten Energien über ihrem Körper weg. Als sie später darüber sprachen, was Elisa gesehen hatte, war Hoku ebenfalls betroffen. Sie war bei Victorias Geburt dabei gewesen. Jetzt spuckte sie voller Abscheu auf den Boden.
    Â»Er ist ein Monstrum … Jemand muss ihn töten, verstehst du? Er kann nicht deine Tochter … es ist wider die Natur!«
    Der Plan entstand in den Stunden danach. Es würde einen mächtigen Zauber brauchen, um Jansons dunkle Kraft zumindest so weit zu brechen, dass er Victoria nicht auf ewig gefangen halten konnte. Sie wollten es zumindest versuchen.
    Wieder reiste Elisa in das Auge des Pfauenmännchens, nur war es dieses Mal bei Nacht. Sie wusste, wo sie mit ihrem Schnabel suchen musste, in welch feuchten Ritzen sie verborgen waren, die Träger des Giftes. Sie packte den Hundertfüßer beim Nacken, knapp hinter dem Wurmkopf, dann hüpfte sie auf Victorias Fensterbrett. In dem fest geschlossenen Fensterladen waren die Spalten gerade groß genug, um die Krabbelbeine des Giftwurms mit dem Schnabel

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