Insel der schwarzen Perlen
â¦Â«
»Dito.«
19. Kapitel
Elisas Entscheidung, 1912â1917
Der Verrat stand zwischen Johannes und ihr, das fühlte Elisa sofort. Er hatte ihre Liebe verraten. Trotzdem war sie auch wütend auf Ulani. Ihre Tochter wusste über ihre enge Bindung zu Johannes Bescheid. Doch Elisa musste zuerst mit Johannes alleine darüber reden, das war sie ihnen beiden schuldig. Eine Konfrontation vor Ulani wäre würdelos gewesen. Deswegen hatte sie sich auch leise fortgeschlichen, das Lachen und Stöhnen hinter sich gelassen und versucht, zunächst Distanz zu dem Gesehenen zu gewinnen.
Kaum hatte sie ein paar Hundert Meter Weg hinter sich gebracht, überwältigten sie ihre Gefühle. Wie eine Fontäne glühender Lava schoss es aus ihrem Inneren hervor. Eifersucht, maÃlose Wut und Enttäuschung und dazu die bittere Erkenntnis, von Johannes verraten worden zu sein. Hätte er es ihr heute noch gestanden, wenn sie später zu ihrem Stelldichein gekommen wäre, angefüllt mit Erwartung und Liebeshunger? Oder war es ihm inzwischen gleichgültig, mit wem er sein Lager teilte, sodass er wahllos mehrere Frauen auf einmal liebte? Hatte sie diese Veränderung in ihm nicht mitbekommen?
Der steinige und teilweise steile Weg zurück zum Washington Place war begleitet von verzweifelten Fragen und qualvollen Selbstzweifeln, und mehr als einmal drohte Elisa zu stolpern und zu stürzen. Sie rastete kurz, um sich zu sammeln. Unterhalb des Kraterrands des Diamond-Head-Vulkans blühte die Vegetation auch jetzt im Spätsommer noch in feurigen Farben. Die verloschene Lava vergangener Zeiten war längst wieder zu neuem Leben erblüht. An dieser Erdwunde, wie Johannes den gewaltigen Krater gerne nannte, hatten sie öfter auf ihrem Rückweg in die Stadt haltgemacht. Man hatte einen groÃartigen Blick über das Meer, aber auch weit über die Stadtgrenzen Honolulus hinaus. Elisa war immer fasziniert von dem Farbenspiel gewesen, wenn sie hier spazieren gegangen waren, oft in den frühen Morgenstunden, bevor sie ihre unterschiedlichen Leben beginnen mussten. Auch das wäre jetzt für immer vorbei, wenn sie ihn konfrontieren würde. Er war ein stolzer Mann, und sein Erfolg hatte ihn in seinen Wegen bestätigt. Warum sollte Johannes Rücksichten auf ihre Gefühle nehmen wollen? Es bereitete ihm augenscheinlich Vergnügen, Ulani zu beglücken. Ihre Tochter war schön, sogar überaus reizvoll und willig, seine Wünsche stets dann zu erfüllen, wenn er sich dafür entsprechend revanchierte. So viel wusste Elisa bereits über ihre schöne Tochter. Sie achtete stets auch auf ihren eigenen Vorteil, das hatte Elisa ihr selbst früh so beigebracht. Ihr Verhalten mit Mike Baker lieà Charakterzüge erkennen, die Ulani weit bringen würden, sollte sie ihre Karten klug spielen und sich nicht leichtfertig verschwenden. Als Gouvernante konnte sie sich zwar eine bescheidene Aussteuer zusammenverdienen, doch sie hatte nie viel Interesse daran gezeigt, sich an einen Lehrer oder an einen kleinen Beamten in Honolulu zu binden. Als Halbblut, noch dazu ein Waisenmädchen ohne Vermögen, war Ulani von minderem Wert. Ihre reizvolle Schönheit mochte ihr eine Affäre mit einem Mann wie Mike Baker ermöglichen, doch mehr war wegen seiner Frau nicht möglich. Sie kam aus einer der reichsten Familien Honolulus und war weitläufig mit der Familie Dole verwandt. Nie würde zugelassen werden, dass Ulani mit ihrem ehemaligen Arbeitgeber eine Ehe einging. Eher würde man ihr das Gesicht zerschneiden oder Ulanis Schönheit mit Säure verätzen. Elisa wusste das. Sie verstand ihre Tochter daher gut. Johannes war Witwer und ein guter Mensch und seit ihrer Kindheit kannte Ulani ihn gut. Der Altersunterschied war nicht zu groÃ, Johannes war ein Mann in seinen besten Jahren und zudem war er zu leidenschaftlichen Gefühlen fähig. Seine Kinder Elisabeth und Thomas verstanden sich gut mit Ulani, und er würde sie als seine zweite Frau stets beschützen, so wie er auch Leilani beschützt hatte. Aber Johannes hatte seine erste Frau angebetet. Würde er Ulani ebenso ehrfurchtsvoll behandeln können? Sie war weit weg davon, eine Aliâi zu sein. Sollte er jedoch ernste Absichten haben, was würde Elisa dann tun?
Elisa lehnte sich gegen einen Felsen, um ihre zittrigen Beine zu entlasten. Der Schreck hatte sie geschwächt, und das Stück
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