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Insel der schwarzen Perlen

Insel der schwarzen Perlen

Titel: Insel der schwarzen Perlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noemi Jordan
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Traurigkeit, die sie so noch nie in seinen Mandelaugen gesehen hatte. Dann stand er auf, ging nervös im Raum auf und ab. Als er endlich begann zu reden, konnte er ihr nicht in die Augen sehen. Sie war seine leibliche Tochter, wie er ihr versicherte, er hatte es testen lassen, bevor er Maja von Honolulu nach München brachte.
    Â»Ich konnte nicht anders. Es war alles rechtens …«
    Ihr Vater tat sich sichtlich schwer, so schwer, dass Maja das Gefühl hatte, er sprach gar nicht mit ihr als Vater, sondern hielt als Anwalt ein Plädoyer für sich selbst.
    Â»Ich konnte nicht anders handeln, weil … was alles für mich auf dem Spiel stand, weil …«
    Immer wieder kam ihr Vater ins Stocken. Vielleicht redete er sich einfach nur sein Leid von der Seele, denn er hatte die Frau in Honolulu wohl aufrichtig geliebt.
    Â»Meine Begegnung mit Malia war unglaublich … als ich sie das erste Mal sah, ihre Hand berührte und wir miteinander sprachen … es war wie ein Nachhausekommen. Ist es dir mit Keanu nicht auch so gegangen?«
    Er hatte recht, und trotzdem verletzten seine Worte Maja, und sie unterbrach ihn ungeduldig.
    Â»Weiß es Mama? Weiß sie, dass ich von dir bin, dein Ausrutscher aus einer Affäre?«
    Â»Ja, Maja, das weiß Mama. Es war sehr schwer, es ihr zu beichten, aber wie du weißt, wohnt das Vertrauen weit oben auf meiner Werteskala. Außerdem hätte ich dich sonst nicht von Honolulu mit nach Deutschland nehmen dürfen. Malia hatte im Geburtsregister angegeben, ich sei dein Vater, mit Namen und Adresse. Sie hat den Behörden gesagt, du wärest auf Hawaii in tödlicher Gefahr. Ich sollte deinen Namen ändern, den Rubinring für dich aufbewahren, aber dir niemals die Wahrheit über deine Herkunft erzählen.«
    Â»Warum? Und war sie nicht da, als du mich abgeholt hast?«
    Â»Nein, ich holte dich aus einem Krankenhaus in Honolulu ab. Und ich bin mit dir im Flieger von Hawaii nach München gekommen, als du gerade acht Monate alt geworden bist.«
    Majas Augen wurden immer größer. »Dann habe ich meine leibliche Mutter gekannt? Und … und was haben Mama und du in München gesagt?«
    Â»Wir haben alle aufs Lügen eingeschworen. Deine Mutter und vor allem deine Geschwister, sie waren ja groß genug, alle mussten mir schwören, Stillschweigen zu bewahren. Ich erzählte, du seiest die einzige Überlebende einer Familienfehde, deine Familie auf Hawaii sei ausgerottet worden, und niemand dürfte je deine wahre Identität erfahren …«
    Â»War es wirklich so?«
    Majas Stimme war nur noch ein Flüstern. Es war alles viel schlimmer, als sie gedacht hatte.
    Â»Es war alles sehr undurchsichtig. Die Polizei sprach von deiner Großmutter, die wegen Mordes im Gefängnis saß, dann gab es den Ehemann von Malia, der wegen schwerer Körperverletzung gesucht wurde … und diesen Brief von Malia selber. Du solltest außer Landes aufwachsen, um sicher zu sein …«
    Â»Und Mama, fuhr sie nicht einmal mit dir nach Hawaii?«
    Â»Doch, das war, als ich zum ersten Mal meinen Vater finden wollte … Meine Identitätskrise kam später. Deine Mutter hat mir den Fehltritt in Honolulu nicht sofort verziehen, aber sie verstand, was für eine schwere Zeit ich durchmachte … Ich hatte das Gefühl, meine Wurzeln nach Hawaii zu brauchen, denn es blieb schwierig mit Mamas Eltern … Für Oma und Opa blieb ich ein würdeloses Überbleibsel eines Soldaten aus Hawaii, und meine Mutter verachteten sie als Armeehure … Sie waren nicht immer so milde und altersweise wie heute …«
    Maja wusste, was er meinte. Oft hatte sie mit ihrem Vater darüber gesprochen, warum Maja und ihre Geschwister nur halb so oft bei den Großeltern eingeladen wurden wie ihre Cousins. Das Leid, das ihre Mutter trug, war oft in Überkompensation sichtbar. Auch als erfolgreiche Kardiologin musste sie irgendwie mit dem unterschwelligen Rassismus ihrer Eltern klarkommen. Sie hatte unter Stand geheiratet, obwohl man das nie offen ansprechen durfte. Über die Tatsache, dass Majas stets freundlicher Großvater, der schon deutlich über neunzig Jahre alt war, einst ein glühender Nazi war und heute noch das Wort Neger verwendete, durfte man auch nicht sprechen.
    Maja kannte das jahrzehntelange Leid. Zu dem Entsetzen über die Lügen ihres Vaters empfand sie jetzt auch eine gewisse Bewunderung.

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