Insel der schwarzen Perlen
aber diese hier war riesig und musste wirklich äuÃerst wertvoll gewesen sein. Laut Beschriftung war es eine Tahiti-Perle mit dem wissenschaftlichen Namen Pinctada margaritifera, Pfauenperle. Sie recherchierte weiter im Internet. Tahiti-Perlen gehörten zu den gröÃten Perlen der Welt und hatten normalerweise etwa acht bis sechzehn Millimeter Durchmesser. In der westlichen Welt wurden sie durch Kaiserin Eugénie, Ehefrau Napoleons III. , berühmt. Diese Perle aber war noch gröÃer als die von Napoleons Frau. Zweiundzwanzig Millimeter Durchmesser stand neben der Zeichnung. Als Besitzerin und auch Bestohlene war Elisas Mutter Clementia eingetragen.
Maja wurde stutzig. Sie wusste, das konnte nicht stimmen, doch hier im Urteil stand es schwarz auf weiÃ, akribisch mit einer Feder notiert. Das altmodische und nicht ganz fehlerfreie Englisch des Verhaftungsprotokolls besagte das Gleiche. Von vielen Stunden der Befragung vor Ort war die Rede und von der Eindeutigkeit des Geständnisses. Sie legte das Dokument in den Scanner und zog es als pdf-Datei zu den anderen in den Ordner, wobei sie über die ihr bekannten Sachverhalte nachdachte, denn ein von Elisa begonnenes Tagebuch aus dem Jahr 1900 hatte seinen Weg ebenfalls in ihre Hände gefunden. Schon vor Wochen hatte Mai es ihr auf den Tisch gelegt. Das Büchlein sei im Keller des Roten Hauses in einer der alten Kommoden gewesen.
Einige Tagebucheinträge waren unleserlich, von Würmern zerfressen und aufgequollen von Feuchtigkeit, doch andere Passagen waren gut erhalten. Maja hatte sie sorgfältig abgetippt und öffnete jetzt das entsprechende Dokument in ihrem Computer. Geschrieben in dem Deutsch einer vergangenen Epoche hatte Elisa die Begebenheiten dieses schrecklichen Tages in Worte gefasst. Ein Eintrag hatte Maja besonders berührt. Es ging um Elisas Angst nach Keliis Verhaftung, denn sie fürchtete um sein Leben. Die Einheimischen wurden oft mit Schlägen und Folter zum Reden gebracht, schrieb sie, und vermutete ein Komplott der gefürchteten Missionary Boys.
⦠ich selbst sollte durch Keliis Verhaftung in die Knie gezwungen werden, kann und will aber nicht glauben, dass meine Mutter dahintersteckt ⦠niemand kann so grausam sein, nicht der eigenen Tochter gegenüber â¦
⦠Piet van Ween muss die Perle bei der Seuchenkontrolle des Doktors in unserer Hütte versteckt haben, während ich länger mit dem guten Doktor sprach. â¨Das muss die Antwort sein. Ich glaube nicht, dass der Doktor selbst etwas davon ahnte ⦠eine charakterlich so niedrig stehende Seele ist er nicht. Piet van Ween hingegen â seine Liste an Höllentaten wird immer länger. Er hatte vermutlich Sorge, der Doktor würde mir den Mord an Keliis Vater anvertrauen, den er zweifelsohne begangen hat.
Fried, der neue Mann meiner Mutter, hat die Perle sicherlich ungern zur Verfügung gestellt, und wohlbehalten kam sie inzwischen wieder zu ihm und seiner Frau zurück, möge der Teufel die beiden holen, wenn sie wirklich niederträchtig genug waren, um mein Glück und das Leben meiner Kinder zu zerstören â¦
Hier wurde der Eintrag unleserlich, doch dann ging es weiter.
⦠am liebsten wäre mir, wenn Gouverneur Janson persönlich hinter der Niedertracht stecken würde, weil er immer noch seinen verletzten Stolz an mir rächen muss. Wenn er mir daher meinen Liebsten nimmt, könnte ich es irgendwie noch verstehen, wenn auch niemals verzeihen ⦠Ich befürchte, der Richter wird nicht gnädig mit meinem Kelii sein, er ist ein enger Freund des Gouverneurs â¦
An dieser Stelle verschwamm Elisas Tintenschrift durch einige Wasserflecken, und die restlichen Seiten dieses Büchleins waren herausgerissen worden.
Wieder sah Maja sich das Dokument der Verhaftung an. Der Vorname der Unterschrift auf dem Papier lautete Johannes. Den Nachnamen konnte sie nicht entziffern, aber es konnte durchaus van Ween sein. Johannes wurde der kanaka Kelii nach dem Verhör, das mehrere Stunden dauerte, zur Verwahrung übergeben, das stand dort. Die Stundenzahl des Verhörs war verwischt, es konnten fünf oder acht gewesen sein. Die Befragungswerkzeuge waren einzeln aufgeführt, und die Schäden, die Kelii davontrug, ebenfalls. Drei Finger der linken Hand waren gebrochen worden. Es gab Brandeisenwunden an den Oberschenkeln, zwanzig Striemen am Rücken, sechs davon offen blutende Wunden,
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