Insel der schwarzen Perlen
⦠das hat sie sicher nicht vom Vater!«
Ulani war inzwischen zurück zu den anderen gegangen, um zu spielen. Ihr Bündel hatte sie liegen lassen. Es waren noch zwei Dokumente darin, wie die Frauen sehen konnten. Und unter den Papieren sah Elisa noch etwas hervorblitzen. Es war ein goldener Ring mit einem kleinen Rubin in Herzform. Als Ulani kam, knotete Elisa das Bündel wieder zu und drückte es ihrer Ziehtochter in die Hand.
»Darauf musst du weiterhin gut aufpassen, Ulani ⦠eines Tages könnte dieser Brief wichtig für dich sein. Vielleicht wissen wir jetzt, wer dein echter Vater ist. Doch selbst, wenn es so sein sollte, ist es noch zu früh, um zu ihm zu gehen. Es könnte gefährlich für uns alle sein. Verstehst du, was ich dir sagen will?«
Ulani nickte und packte ihr Bündel wieder weg. Noch war sie glücklich im Dorf mit ihren Brüdern, und es würde Jahre dauern, bis das Mädchen den Brief erneut hervorzog.
In diesem Herbst und auch im Winter versuchte Elisa, sich täglich so gut es ging um alle Kinder zu kümmern. Sobald es ihr gesundheitlich besser ging, hielt sie morgens Unterricht in ihrer Familienhütte ab, wenn es regnete. Schien die Sonne, saÃen sie nach dem Frühstück unter der Koa-Akazie in der Mitte des Dorfes. Alle Kinder ab Elis Alter wurden unterrichtet. Ihr Sohn würde nun bald sechs werden, und genau wie Ulanis Brüder war er aufgeweckt und wissbegierig. Nach ein paar Stunden wurden die Jungs unruhig, dann durften sie toben und spielen, oft gingen sie zum Wasserfall.
Nachmittags arbeitete Elisa nur mit den älteren Kindern. Ulani hatte nie zuvor eine Schule besucht, war aber von groÃem Ehrgeiz getrieben und lernte sehr schnell.
»Ich will später Lehrerin werden oder aber eine wichtige Kahuna, so wie du.«
Am Spätnachmittag und am frühen Abend kümmerte sich stets Amala um die Kinder und erledigte auch alle anfallenden Arbeiten für die groÃe Familie.
»Du arbeitest ⦠ich koche!«
Dann sah Elisa im Dorf Patienten, die teilweise aus anderen Gegenden Kauais kamen, oder sogar von den anderen Inseln. Für ihre Konsultationen bekam sie mal zwei Hühner oder einen kleinen Sack Tarowurzeln, aber oft auch wertvollere Gaben, sodass sie zunächst keine der schwarzen Perlen ihrer Mutter gegen Waren eintauschen musste. Elisas Verdienst reichte für alle, und die Freundin war stolz auf sie.
Die Zwillinge wurden im Dorf gehätschelt, man sah in ihnen nach wie vor ein gutes Omen für eine bessere Zukunft. Eli und auch Ulanis Brüder trugen den Jungen und das Mädchen oft stolz wie Pfauen durchs Dorf und gaben an.
»Magische Fähigkeiten haben unsere Elua, wie das legendäre Zwergenvolk ⦠eines Tages wird ihnen die Insel gehören. Sie werden Königin Liliâuokalani befreien ⦠dann gehört Hawaii wieder uns!«
Die vielen Geschichten der Menehune, die sie und Kelii ihrem Sohn Eli von klein auf abends beim Einschlafen erzählt hatten, kamen jetzt in gefilterter Form aus dem Dorf wieder. Vor allem Kämpfe mit bösen Geistern fochten die Zwillinge in Elis Vorstellung aus und brachten unermessliche Schätze in ihr Dorf. Eines Tages fragte Elisa ihn, warum gerade die kleinen Zwillinge solche Helden sein mussten. Sofort füllten sich seine Augen mit Tränen, sie hatte einen Nerv getroffen.
»Ich will meinen Pa wieder. Er ist Kahuna, und du bist Kahuna, trotzdem konnten die Bösen ihn uns wegnehmen ⦠dabei hat er nichts getan! Mein Pa würde nie stehlen! Er ist ⦠er ist doch Aliâi â¦Â«
Elisa nickte. Aliâi, Adeliger zu sein, bedeutete dem hawaiischen Volk und auch Eli viel, denn er kam ebenfalls aus einer adeligen Familie. Bei den Aliâi war es normal, Kinder zu tauschen, so war auch Königin Liliâuokalani bei anderen Eltern als ihren eigenen aufgewachsen. Man gehörte zu einer groÃen Adeligenfamilie, die sich oft schon seit Jahrhunderten als zusammengehörig empfand. Der Einzelne zählte bei Aliâi weniger als die Gemeinschaft. Aber vor allem zählte die Ehre.
»Deshalb müssen deine kleinen Geschwister jetzt schon Helden sein und Abenteuer bestehen?«
Ihr Sohn nickte, und seine Augen leuchteten.
»Zumindest im Traumland ⦠Die Zwillinge sind Menehune. Sie verwandeln eines Tages auch unsere Tarowurzeln in Gold, Ma ⦠Dann fahren wir über den groÃen Ozean in dein Land. Dort
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