Insel der schwarzen Perlen
⦠»
»Auch kluge Menschen können bisweilen nicht bis über die nächste Welle sehen ⦠Sieh dir die Kinder an! Die Göttin Pele selbst hat uns Emma und Gerd geschickt!«
Immer machte Amala ihr Mut, wenn sie niedergeschlagen war oder immer wieder auf den Umstand zu sprechen kam, dass auch ihre Mutter nicht zur Taufe gekommen war.
Dann wurde ein Brief gebracht.
Meine geliebte Tochter,
du wirst dich vielleicht wundern, warum ich nicht ein einziges Mal meine Enkelkinder in dem Dorf am Wasserfall besucht habe, in dem du inzwischen lebst. In meinen Kreisen ist das leider völlig ausgeschlossen, mein Mann will noch nicht einmal darüber sprechen. Du hast mich entehrt, dadurch nimmt auch Fried gesellschaftlichen Schaden, der bis zurück nach Deutschland seine Kreise zieht. Schweren Herzens schreibe ich dir daher diese Worte, die ebenfalls eine Bitte sein sollen. Komm endlich zurück zu mir, Elisa!
Solltest du nicht von deiner Verbindung mit diesem Kriminellen lassen können, so wird die Zeit der Versöhnung erst kommen, wenn du ihm in der Kirche von Lihue vor Gott Dein Jawort gibst und endlich deine Mutterpflichten bei Victoria ernst nimmst â¦
Es folgte eine längere Beschreibung der kleinen Victoria, die mit Worten endete, die Elisa erneut einen Stich versetzten.
⦠trotz der seelischen Grausamkeit einer verwirrten Mutter, die sie aus Hörigkeit zu einem Wilden verlieÃ, â¨lebt meine Enkelin in gehobener gesellschaftlicher Stellung. Sei also beruhigt. Deine fehlgeleiteten Gefühle, die von keinem christlichen Gott gesegnet wurden, haben meinem Goldstück bisher nicht schaden können. Doch das entbindet Dich auf Dauer nicht von Deinen Pflichten! Ich habe Dir mein Hochzeitscollier geschenkt, damit Du die schwarzen Perlen sinnvoll einsetzt, auch für anständige Kleidung. Bitte mach mir keine weitere Schande, komme endlich zur Vernunft â¦
Es folgte ein Absatz über Clementias gesellschaftlichen Verpflichtungen an der Seite ihres adeligen Mannes. Im Winter war eine längere Schiffsreise in die alte Heimat geplant, um die dortige Verwandtschaft ihres Gatten kennenzulernen.
⦠mir als Mutter und GroÃmutter bleibt die Hoffnung, dass unser lieber Herrgott einen Lichtstrahl auf meine Elisa sendet, der sie endlich zur Besinnung kommenâ¨lässt.
Mein einziges Kind, dem ich vor einem Vierteljahrhundert unter Schmerzen das Leben schenkte, ist jeden Tag in mein Morgen- und Abendgebet eingeschlossen. Ich bete darum, Elisa möge eines Tages als ehrbare Frau den Weg zu mir zurückfinden. Gott segne mein zweites und drittes Enkelkind.
Deine hoffnungsvolle Mutter
Unterzeichnet war der Brief mit Clementias adeligem Namen. Auf dem Umschlag war ein rotes Lacksiegel. Von den Jungs wurde es intensiv untersucht. »Es stinkt!«, sagte ihr Sohn, nachdem er die Lackreste angekokelt hatte.
Wieder vergingen Wochen. Der tägliche Unterricht wurde um eine Stunde verlängert, auch für die Kleineren. Hatten die Kinder bisher bei Elisa das Lesen und Schreiben gelernt, so kam jetzt das Rechnen dazu. Vor allem Eli machte es groÃen SpaÃ. Ulani hingegen liebte das Lesen. Sie konnte nicht schnell genug selber die Buchstaben zusammenfügen, um dann die wenigen Bücher, die Elisa besaÃ, in ihre Kinderhütte unter dem Baum zu verschleppen. Amala war entzückt über die Fortschritte ihrer Wahlenkelin.
So verging Elisas erstes Jahr ohne Kelii wie im Flug. Auch im Jagen, Fischen, Kochen, Weben und allerlei anderen nützlichen Dingen wurden die Kinder im Dorf unterrichtet. Sie waren in die Gemeinschaft integriert. Zudem hatten sich die Arbeitsbedingungen auf der Vogel-Plantage für die Hawaiianer durch die vielen eingewanderten Chinesen gelockert, die mittlerweile angelernt worden waren. Die Arbeitstage waren weniger lang, einige der Frauen konnten wieder tagsüber im Dorf bleiben, und es gab sogar wieder Schwangere. Auch ohne Kelii war es Elisa gelungen, als Frau des Dorfschefs die eine oder andere Verbesserung umzusetzen. Sie machte ihre Sache mit Amalas Hilfe gut. Dennoch war sie oft schwermütig.
»Wie überaus bedauerlich, dass Kelii das nicht erleben kann â¦Â«
Elisa dachte täglich an ihren Mann, und es gab etliche Momente, in denen sie ihn besonders schmerzlich vermisste. An einem der ersten lauen Abende nach dem regnerischen Winter saà sie mit Amala unter der Koa-Akazie. Um sie herum brannten die Feuer auf
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