Insel der Sehnsucht, Insel des Gluecks
sondern Marisa für ihre damalige Fehlgeburt verantwortlich gewesen war. Sie war nicht bereit, eine Wiederholung der Ereignisse zu riskieren.
Chloe blickte nachdenklich vor sich hin. Die vergangenen vierundzwanzig Stunden hatten wirklich eine Wandlung bewirkt! Sie war nicht nur willens, ihre Ehe fortzuführen, sondern plante bereits, das zukünftige Leben zu beschützen, von dem sie geschworen hatte, dass sie es nie von Leon empfangen würde. Aber Leon, so zärtlich und charmant wie heute Morgen, war einfach unwiderstehlich. Ihre Liebe zu ihm war unter der warmen Sonne der Ägäis zu neuem, sinnlichen Leben erwacht.
"He, Schlafmütze, hast du vor, mir beim Mittagessen Gesellschaft zu leisten?"
Chloe eilte ins Bad, als Leon die Kabine betrat, und schloss die Tür hinter sich ab. Trotz ihrer Liebe und obwohl sie lange genug verheiratet gewesen waren, befiel sie immer noch eine gewisse Scheu. Errötend dachte sie daran, mit welcher Leidenschaft sie sich ihm noch vor wenigen Stunden hingegeben hatte. "Ich ziehe mich gerade an", rief sie ihm durch die geschlossene Tür zu. "Es dauert nicht lange."
"Gut. Santos ist nämlich bereit, das Mittagessen zu servieren.
Hummersalat und zum Nachtisch Schokoladensouffleé. Ich habe nicht vergessen, wie gern du Süßes isst."
Also wirklich! dachte Chloe, als sie seinen neckenden Ton hörte. Man könnte meinen, sie sei ein Schulmädchen, das von seinem Lieblingsonkel eingeladen worden wäre ... oder von seine m älteren Bruder! Der Gedanke ließ sie erstarren. Leon schien etwas gespürt zu haben, denn er fragte sie, ob alles in Ordnung sei.
"Alles bestens ..."
Ihre Finger zitterten, als sie sich eilig anzog. Sie musste aufhören, an Marisa zu denken, musste Leons Halbschwester einfach aus ihren Gedanken verbannen.
Das bedeutet, ein Problem zu verdrängen, anstatt es zu lösen, warnte erneut eine innere Stimme sie. Eigentlich hätte sie Leon direkt darauf ansprechen und von ihm verlangen müssen, ihr seine Pläne bezüglich Marisa offen zu legen. Doch sie gestand sich ein, dass sie den Mut dazu nicht aufbrachte. Sie hatte schlichtweg Angst, von Leon zu hören, dass er nicht die Absicht habe, seine Beziehung zu seiner Halbschwester aufzugeben.
War sie so schwach? Und besaß sie umgekehrt wirklich die Kraft, den Kopf in den Sand zu stecken und so zu tun, als würde Marisa gar nicht existieren?
Andererseits hatte Leon ja schon versucht, eine Heirat für Marisa zu arrangieren. War das nicht ein hoffnungsvolles Zeichen?
Es konnte auc h nur bedeuten, dass Leon erkannt hatte, dass er die Affäre nicht auf Dauer geheim halten konnte. Seine eigene Heirat war ein erster Schritt gewesen, die Aufmerksamkeit von Marisa abzulenken. Das Mädchen war so gefühlsbetont und überspannt, so besitzergreifend, dass er in beständiger Angst leben musste, sie könnte in einem ihrer unberechenbaren Wutausbrüche mit der Wahrheit herausplatzen. Möglicherweise war sein Versuch, Marisa zu verheiraten, nur ein weiterer Schritt in dieselbe Richtung gewesen.
Doch er hatte sich in dieser Sache Marisa gegenüber geschlagen geben müssen und würde vermutlich auch bei allen zukünftigen Versuchen den Kürzeren ziehen. Im Geist sah Chloe eine ganze Prozession möglicher Heiratskandidaten, die Marisa alle auf die gleiche Weise abblitzen lassen würde, bis Leon es schließlich aufgeben würde. Und wollte er Marisa überhaupt wirklich mit einen anderen Mann verheiratet sehen?
Als Chloe fünfzehn Minuten später auf das Sonnendeck kam, erwartete Leon sie bereits unter einem bunt gestreiften Sonnensegel. Ein Steward servierte gerade die Gerichte auf einem schön gedeckten Tisch.
"Da bist du ja." Leon stand auf. Er trug weiße Shorts und ein weißes Polohemd. Im Vergleich zu ihm kam Chloe sich in einem pink-weiß gemusterten Baumwollrock mit farblich dazu passendem Top und einer Blusenjacke viel zu fein vor. Leon betrachtete sie so ausgiebig, dass sie sich verunsichert übers Haar strich.
"Stimmt etwas nicht?" fragte sie zögernd.
"Im Gegenteil." Er kam lächelnd auf sie zu und begleitete sie zum Tisch. "Alles ist bestens, vielleicht abgesehen von der Tatsache, dass du ein bisschen zu fein angezogen bist."
Er lachte, als sie errötend auf den Steward blickte, und schüttelte den Kopf. "Santos spricht kein Englisch. Hast du deinen Schlaf genossen?" Er lachte erneut, als Chloe wieder errötete. "Schon gut, ich werde aufhören, dich zu necken, obwohl es hinreißend anzusehen ist, wenn diese zarte Röte deine
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