Insel der Sehnsucht, Insel des Gluecks
für Chloe. Hand in Hand spazierten sie durch den Hafen, und Chloe betrachtete immer wieder stolz den Mann an ihrer Seite. Auch in Jeans und einem Polohemd besaß er eine ungemeine Ausstrahlung und zog immer wieder die Blicke der Vorübergehenden auf sich - vor allem natürlich die der Frauen. Wohingegen die griechischen Männer die blonde Schönheit an Leons Seite mit bewundernden Blicken bedachten.
Den größten Teil des Nachmittags erkundeten sie die winzigen Gässchen abseits des Hafens. Leon schien sich auf der Insel gut auszukennen und führte Chloe zielstrebig zu einem kleinen Laden, dessen Fensterläden wie die der übrigen weiß getünchten Häuschen in der Reihe gegen die Mittagssonne geschlossen waren.
Auf Leons Klopfen öffnete ein alter Mann mit
wettergegerbten Gesicht die Tür und strahlte, als Leon ihn freundlich neckend begrüßte.
"Ari! Ich dachte schon, du hättest mich vergessen."
Der alte Mann antwortete mit einem Schwall griechischer Worte, wobei er beiseite trat, um sie hereinzubitten. Die Steinfliesen waren angenehm kühl nach der Hitze draußen auf der Straße, allerdings brauchten Chloes Augen einen Moment, um sich an das Halbdunkel im Haus zu gewöhnen. Während die beiden Männer sich auf Griechisch unterhielten, blickte Chloe sich neugierig in dem Laden um. Offenbar wurde hier Fischereibedarf aller Art verkauft, und die Luft roch nach Teer und Salz.
"So", sagte der alte Mann schließlich in gebrochenem Englisch, wandte sich Chloe zu und betrachtete sie aufmerksam,
"du hast sie also endlich gefunden und zu mir gebracht? Du hast gut gewählt, und sie werden ihr besser stehen als irgendeiner unserer Frauen. Ihre helle Haut wird ihren Glanz widerspiegeln.
Ich werde sie holen."
Ari bemerkte Chloes verständnislosen Blick und fügte erklärend hinzu: "Vor vielen Jahren kam Ihr Mann nach einem schlimmen Sturm auf diese Insel. Ich hatte in dem Sturm mein Boot und meinen Sohn verloren und war verzweifelt. Ihr Mann gab mir neue Hoffnung und hielt mir vor Augen, dass ich noch eine Tochter hatte, die mir eines Tages Enkel schenken würde.
Er gab mir auch das Geld, damit ich diesen Laden kaufen konnte, und obwohl ich nie aufgehört habe, um meinen Sohn zu trauern, habe ich gelernt, dass man sein Leben nie wegwerfen sollte. Inzwischen habe ich zwei feine Enkelsöhne, von denen keiner für seinen Unterhalt sein Leben auf See wagen muss. Als Lohn für all das, was Ihr Mann für mich getan hat, bot ich ihm damals das einzig Wertvolle an, das ich besaß: eine Perlenkette, die ich von meinem Vater geerbt habe, der selber an diesen Küsten nach den Perlen getaucht hat. Ihr Mann lehnte ab. Ich solle die Perlen behalten, und nur wenn er eine Frau gefunden hätte, die eines solchen Geschenks würdig sei, würde er kommen, um sie zu beanspruchen. Lange Zeit fürchtete ich schon, er würde niemals erscheinen und die Kette holen. Doch nun sehe ich, dass er klug daran getan hat, zu warten."
Der alte Mann verschwand in einem Hinterzimmer des Ladens, und Chloe drehte sich gerührt zu Leon um.
"Ari hat Recht", bestätigte Leon zärtlich, "bislang gab es in meinem Leben keine Frau, die ich dieser Perlen würdig fand, deren Wert sich an der Zahl derer bemisst, die dafür ihr Leben lassen mussten. Das Perlentauchen war lange Zeit für die Inselbewohner der einzige Weg, zu gewissem Reichtum zu gelangen. Was Ari dir nicht erzählt hat - sein Vater und drei seiner Onkel haben ihr Leben gelassen, ohne eine einzige Perlenkette zu vervollständigen. Nach den letzten vier Perlen ist Ari selbst getaucht und hat dabei seiner Lunge bleibenden Schaden zugefügt. Ohne Tauchgerät und mit Steinen beschwert, tauchen diese Taucher in unglaubliche Tiefen hinab."
Ehe Chloe etwas erwidern konnte, kam Ari zurück mit einem schmalen Lederetui in der knorrigen Hand. Er reichte es Leon, der es öffnete. Chloe hielt staunend den Atem an. Der warme Glanz der Perlen war unvergleichlich. Ehrfürchtig strich Chloe über ihre glatte Oberfläche.
"Dreh dich um."
Sie folgte Leons Aufforderung, und er legte ihr die Perlenkette um den Hals. "Nun, Ari?"
Der alte Mann strahlte übers ganze Gesicht. "Wie ich schon sagte, du hast gut gewählt, mein Freund. Und ich bin froh, endlich die Schuld abgetragen zu haben, die mich so schwer bedrückt hat."
Sie blieben noch eine halbe Stunde bei Ari, tranken Kaffee mit ihm, und Chloe hörte zu, während die beiden Männer in Erinnerungen schwelgten. Es war schon nach drei, als sie schließlich aus
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