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Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition)

Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition)

Titel: Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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träumte.
    »Hab keine Angst. Du mußt jetzt keine Angst mehr haben.«
    »Ich konnte nicht mehr raus.«
    »Ich weiß. Jemand hat ein Stück Holz unter die Türklinke geklemmt. Waren wohl Kinder. Nur ein dummer Streich.«
    »Kinder«, stieß sie hervor. »Kinder, die mir einen Streich gespielt haben. Ja. Sie haben das Licht ausgeknipst und mich eingeschlossen. Und ich bin in Panik geraten.« Sie schloß die Augen und konzentrierte sich darauf, wieder ruhig und gleichmäßig zu atmen. »Ich war so kopflos, daß ich noch nicht mal daran gedacht habe, das Licht einfach wieder anzuschalten.«
    »Du hattest eben Angst. Komisch, früher hattest du vor nichts und niemandem Angst.«
    »Nein.« Sie öffnete ihre Augen wieder. »Nein, früher hatte ich keine Angst.«
    »Früher hättest du diese Tür eingetreten und dem, der sich so einen Scherz erlaubt hätte, das Fell über die Ohren gezogen.«
    Bei dieser Erinnerung an die frühere Jo mußte sie lächeln. »Hätte ich das wirklich getan?«
    »Du hattest immer einen gemeinen Zug an dir.« Da sie nicht mehr zitterte und nicht mehr das Mädchen, das er einst getröstet hatte, sondern eine erwachsene Frau war, tätschelte er linkisch ihre Schulter. »Bist halt ein bißchen weicher geworden.«
    »Wahrscheinlich mehr als nur ein bißchen.«
    »Na, ich weiß nicht. Wer, glaubst du, hat dich beobachtet?«
    »Was?«
    »Du hast doch eben gesagt, daß dich jemand beobachtet hätte. Wen meintest du?«
    Die Fotos, dachte sie. Ihr eigenes Gesicht. Annabelles Gesicht. Jo schüttelte hastig den Kopf und wandte ihren Blick ab.
Nicht jetzt, war alles, was sie denken konnte. Noch nicht. »Ich hab’ nur geplappert. War dummes Zeug, tut mir leid.«
    »Du mußt dich nicht entschuldigen. Mädchen, du bist ja immer noch weiß wie die Wand. Komm, ich bring’ dich nach Hause.«
    »Ich hab’ das ganz Zeug da drinnen gelassen.«
    »Ich kümmere mich schon drum. Bleib du einfach hier sitzen, bis du zur Ruhe gekommen bist.«
    »Geht schon wieder, ich brauch’ nur noch einen kleinen Moment.« Aber als Sam sich erhob, griff Jo nach seiner Hand. »Danke, Daddy, daß du die Gespenster verjagt hast.«
    Er blickte auf ihre ineinander liegenden Hände hinab. Ihre war schmal und weiß – die Hand ihrer Mutter, dachte er traurig. Aber dann schaute er ihr ins Gesicht – und sah seine Tochter. »Darin war ich wohl ziemlich gut.«
    »Du warst großartig. Und du bist es heute noch.«
    Seine Hand kam ihm plötzlich grob und plump vor. Er löste sie aus ihrer und trat einen Schritt zurück. »Ich räume schnell die Putzmittel weg, und dann fahren wir nach Hause. Vielleicht brauchst du ja nur ein gutes Frühstück.«
    Nein, dachte Jo, als sie ihm nachsah, ich brauche meinen Vater. Und erst in diesem Augenblick begriff sie, wie sehr.

Zwölf
    Jo war nicht mehr in Picknick-Laune; allein beim Gedanken an Essen drehte sich ihr Magen um. Sie beschloß, sich allein auf den Weg zu machen. Entweder in die Sümpfe oder runter zum Strand. Wenn sie noch genug Energie aufgebracht hätte, hätte sie versucht, noch die Morgenfähre rüber zum Festland zu erreichen, um für ein paar Stunden ins Getümmel von Savannah einzutauchen.
    Aber statt dessen klatschte sie sich kaltes Wasser ins Gesicht und setzte ihre Fängerkappe auf. Als sie diesmal an der Dunkelkammer vorbeiging, konnte sie der Versuchung nicht widerstehen, reinzugehen, die Schublade zu öffnen und den Umschlag hervorzukramen. Mit zitternden Fingern breitete sie die Fotos auf der Arbeitsplatte aus.
    Es war ein Foto von ihrer Mutter dabeigewesen, ganz bestimmt. Aber es war verschwunden. Ein Foto von einer Toten. Jo konnte es sich nicht eingebildet haben. So etwas konnte man sich einfach nicht einbilden. Hätte sie es sich nur eingebildet, wäre sie geisteskrank gewesen. Und das war sie nicht. Es konnte einfach nicht sein. Sie hatte es gesehen, es war da gewesen.
    Mit aller Macht riß sie sich von den Fotos los und zwang sich, die Augen zu schließen, ihre Atemzüge zu zählen, langsam ein- und auszuatmen, ganz regelmäßig, bis ihr Herz wieder ruhiger schlug.
    Zu genau konnte sie sich noch an ihren Zusammenbruch erinnern, an das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren. Sie hatte keine Lust, das noch mal zu erleben.
    Tatsache war, daß das Foto fehlte. Aber es hatte existiert – auch das war eine Tatsache. Also hatte es jemand weggenommen. Vielleicht hatte Bobby bemerkt, wie sehr es sie in Panik versetzte, so daß er es weggeworfen hatte. Oder jemand war in ihre Wohnung

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