Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition)
Hathaways.« Weil die Erdbeeren ihren Appetit geweckt hatten, griff sie nach dem Speck. »Gestern abend hatten wir einen Familienstreit. Deshalb liegt Lexy heute noch mit Kopfschmerzen im Bett, und ich mußte das Frühstück servieren.«
»Packst du hier immer mit an?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich hab’ bisher kaum geholfen.«
»Du hast schon gekellnert, Betten gemacht, Toiletten geputzt.«
»Woher weißt du das denn?«
Der scharfe Klang ihrer Stimme verwirrte ihn. »Von dir. Du hast mir erzählt, daß du hier im Haus Toiletten geputzt hast.«
»Ach so, das meinst du.« Sie kam sich töricht vor, nahm einen Keks und brach ihn in der Mitte durch.
»Was hast du denn gedacht?«
»Ach, nichts. Vor ein paar Tagen haben mir Kinder einen Streich gespielt und mich auf dem Campingplatz in die Männerduschen eingesperrt. Ich hab’ einen Riesenschreck bekommen.«
»Das ist nicht lustig.«
»Nein, fand ich auch nicht.«
»Hast du sie geschnappt?«
»Nein, als mich mein Vater befreit hat, waren sie schon über alle Berge. War eigentlich auch keine große Sache.«
»Männerduschen putzen kommt also auch noch auf die Liste. Und zwischen all diesen Jobs stellst du einen Fotoband
zusammen und findest immer noch Zeit, neue Aufnahmen zu machen. Und wie sieht’s mit dem Vergnügen aus?«
»Fotografieren ist für mich ein Vergnügen.« Sie griff nach der nächsten Erdbeere. »Ich bin zum Lagerfeuer gekommen.«
»Und fast bis Mitternacht geblieben. Du wildes Geschöpf.«
»Ich mache mir nichts aus Partys.«
»Woraus machst du dir denn was – außer dem Fotografieren? Bücher, Filme, Kunst, Musik? Sich kennenlernen nennt man dieses Spielchen übrigens«, klärte er sie auf, als sie nicht antwortete. »Ist ganz praktisch, besonders wenn man vorhat, miteinander zu schlafen.« Amüsiert beugte er sich zu ihr vor, aber sie wich ihm aus. »Krieg’ ich auch eine Erdbeere?«
Da er immer noch ihre Füße massierte, steckte sie ihm eine Erdbeere in den Mund.
Mit seinen Lippen streifte er ihre Fingerspitzen und sog sie mit der Frucht ein. Lächelnd gab er sie wieder frei. »Das nennt sich subliminale sensorische Stimulation. Oder verständlicher ausgedrückt: Ich habe angebissen.«
»Das hab’ ich verstanden.«
»Gut. Also, wie sieht’s mit Kino aus?«
Sie versuchte sich zu erinnern, ob sie jemals ein Mann in so kurzer Zeit so oft durcheinandergebracht hatte. Die Antwort lautete eindeutig nein. »Ich mag am liebsten die alten Schwarzweißstreifen, besonders die Schwarze Serie. Die Kameraführung, Licht und Schatten sind einfach unglaublich.«
»Der Malteser Falke?«
»Das ist der beste von allen.«
»Na, also.« Er tätschelte ihren Fuß. »Schon haben wir eine Gemeinsamkeit. Und wie sieht’s mit aktuelleren Filmen aus?«
»Da mag ich am liebsten Action pur. Bei Filmen mit Anliegen langweile ich mich zu Tode. Ich sehe mir lieber an, wie Schwarzenegger fünfzig Bösewichter umnietet, als einer Handvoll Leute zuzuhören, die sich in einer fremden Sprache über ihre Traumata auslassen.«
»Da bin ich aber erleichtert. Wenn ich mir solche Filme hätte ansehen müssen, wäre aus unseren fünf Kindern und dem Golden Retriever wohl doch nichts geworden.«
Jo mußte lachen – ein gedämpftes, kehliges Lachen, das er auf lächerliche Weise erregend fand. »Wenn das die Alternative ist, finde ich vielleicht doch Gefallen an Untertiteln.«
»Nächster Punkt: deine Lieblingsstadt?«
»Florenz«, antwortete sie, ohne nachzudenken. »Die Sonne, die Farben.«
»Und die Gebäude. Ihr Alter, ihre Pracht. Der Palazzo Pitti, der Palazzo Vecchio.«
»Ich habe eine wundervolle Aufnahme vom Palazzo Pitti bei Sonnenuntergang.«
»Die würde ich gerne sehen.«
»Ich hab’ sie leider nicht dabei«, erwiderte sie abwesend, während in ihrer Erinnerung der Augenblick wieder lebendig wurde: die letzten Strahlen der tiefstehenden Sonne, der plötzliche Luftzug, der von einem Schwarm aufstiebender Tauben verursacht wurde. »Sie ist in Charlotte.«
»Ich kann warten.« Bevor sie reagieren konnte, drückte er ihren Fuß. »Wie wär’s, wenn du mir nach deinem Frühstück die wirklich schönen Stellen der Insel zeigen würdest?«
»Heute ist Sonntag.«
»Ja, das Gerücht wurde mir auch schon zugetragen.«
»Nein, ich meine, heute ist Gästewechsel. Die meisten Cottages werden von Sonntag bis Sonntag vermietet. Sie müssen geputzt werden, bevor um drei die neuen Gäste ankommen.«
»Noch mehr Hausarbeit. Was, zum Teufel,
Weitere Kostenlose Bücher