Insel der Traumpfade Roman
dich zurück auf das Fest.«
»Nicht nötig«, erwiderte sie. »Ich gehe ins Hotel, sobald ich meine Schwestern gefunden habe. Charles wird sich nach mir verzehren, und du kannst noch einen ruhigen Augenblick mit deinem Vater genießen.«
Edward saß in der Falle. Er musste zusehen, wie sie Jonathan ein reizendes Lächeln schenkte und dann zurück zum Haus eilte.
George hatte gesehen, wie Edward Cadwallader den Rasen zur Laube hin überquerte, und obwohl er nicht verstanden hatte, was die drei Personen sagten, hörte er die Anspannung in ihren Stimmen. War das etwa Edward Cadwalladers Vater? Die Stimme klang aristokratisch genug. Und wenn ja, zu wem von beiden gehörte dann die junge Frau?
Er trat in den Schatten zurück, als sie mit raschelnder Seide an ihm vorbeieilte, und fing einen Hauch von ihrem betörenden Parfüm auf. Am liebsten wäre er ihr gefolgt, hätte sie angehalten und mit ihr gesprochen – doch damit hätte er seine beschämende Spioniererei aufdecken und sich schwierigen Fragen stellen müssen.
So blieb er stehen, wo er war, zutiefst aufgewühlt. Als sie hineingegangen war, eilte auch er in den Ballsaal. Sein suchender Blick über die Tanzfläche fand sie nicht, also kehrte er enttäuscht auf die Terrasse zurück und starrte über die Rasenfläche zur Laube hinüber. Cadwallader war noch dort – die glitzernden Epauletten verrieten ihn in der Dunkelheit.
Ein Gegenstand im Gras zog Georges Aufmerksamkeit auf sich, und er fragte sich, was da wohl lag. Er ging hinüber und bückte sich. Es war eine Kamelienblüte – sie musste aus ihrem Haar gefallen sein. Er nahm sie auf und führte sie an seine Nase, überrascht, dass eine so schöne Blüte keinen Geruch verströmte. Vorsichtig steckte er sie in seine Tasche. Sie würde in seinem Besitz bleiben, bis er die Gelegenheit hatte, sie zurückzugeben.
»Sie ist sehr charmant«, sagte Jonathan und zündete eine Zigarre an. »Und sehr schön.«
»Sie ist meine Frau«, fuhr Edward ihn an. »Halte dich also von ihr fern!«
Jonathan betrachtete ihn durch den Rauch und lehnte sich an einen Holzpfosten. »Ich kann Schönheit bewundern, ohne sie gleich besitzen zu wollen«, sagte er milde.
»Ach!«
»Kann sein, dass du eine schlechte Meinung von mir hast, Edward, aber ich bin nicht so verworfen, wie du mich darstellen willst.«
»Dir mangelt es schlicht an Charakterstärke«, entgegnete Edward Cadwallader, »und ich traue dir nicht.«
Sein Vater zog eine Augenbraue hoch. »Für einen, der denselben Mangel zu verzeichnen hat, nimmst du einen sehr selbstherrlichen Standpunkt ein.«
Der Wunsch, seinen Vater zu schlagen, war fast überwältigend, doch Edward war sich bewusst, dass andere im Garten ihre Unterhaltung hören könnten. Es war weder der Zeitpunkt noch der Ort, sein Mütchen zu kühlen.
»Ist es nicht an der Zeit, die Feindseligkeit zwischen uns zu beenden?«
»Wieso? Wir mögen uns nicht – und das war schon immer so.«
»Das stimmt nicht.« Jonathan trat vom Pfosten vor und strich sich mit der Hand über das graue Haar an den Schläfen. »Zumindest nicht, was mich betrifft. Du bist mein Sohn, mein einziger Sohn, und ich bin überrascht, dass du jetzt, da du selbst ein Kind hast, nicht begreifst, welche Liebe einen Mann an seine Nachfahren bindet – ganz gleich, welchen schlimmen Prüfungen sie unterliegt.«
»Schade, dass du nie in die Tat umgesetzt hast, was du da predigst«, sagte Edward scharf. »Was ist die Liebe eines Vaters schon wert, wenn er nur durch Abwesenheit glänzt? Und welcher tiefen Zuneigung habe ich meine Versetzung in die Wildnis zu verdanken?«
»Du wurdest beschuldigt, eine Frau vergewaltigt zu haben«, erinnerte Jonathan ihn. »Ich habe dich vor dem Gefängnis bewahrt – vielleicht sogar vor der Schlinge. Ich hatte gehofft, du würdest daraus eine Lehre ziehen und nach der Versetzungszeit als besserer Mann zurückkehren. Aber wie ich hörte, hast du dich nicht geändert. Kannst du dich noch an den Jungen erinnern, den du in der Schule gequält hast? Auch damals bist du dem Gefängnis entkommen. Im Nachhinein frage ich mich, ob es dir nicht gutgetan hätte, eine Strafe zu verbüßen.«
Schweigen legte sich über sie, und Jonathans Verachtung stand fast greifbar zwischen ihnen.
Edward wollte fortgehen, doch der durchdringende Blick seines Vaters hielt ihn fest. Er fand keine Worte, um sich zu verteidigen, und zum ersten Mal bedauerte er die verlorenen Jahre, in denen ihm die führende Hand des Vaters gefehlt
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