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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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war an Bord der Hauptzeitvertreib, und so erfuhren die Sträflinge von den Seesoldaten, dass Ross erneut einen Streit vom Zaun gebrochen hatte, weil er keinen Reis an Bord nehmen wollte. Bedauerlicherweise enthielt der Kontrakt mit Mr William Richards junior einen Passus, der dem geschäftstüchtigen Lebensmittellieferanten erlaubte, einen bestimmten Teil des Weizenmehls durch Reis zu ersetzen. Reis war billig, und Richards hatte ein Lagerhaus voll davon, außerdem beanspruchte Reis wenig Stauraum, weil er beim Kochen aufging. Das Problem war nur, dass Reis im Gegensatz zu Weizenmehl keinen Schutz vor Skorbut bot.
    »Das verstehe ich nicht«, sagte Stephen Martin, einer der beiden wortkargen Männer aus Bristol, die mit Crowder und Davis nach unten geschickt worden waren. »Wenn Mehl gut gegen Skorbut ist, warum dann nicht auch Brot? Brot ist doch aus Mehl.«
    Richard besann sich, was sein Vetter James, der Apotheker, zu dem Thema einst gesagt hatte. »Vielleicht hängt es mit der Backmischung zusammen«, meinte er. »Unser Brot ist hart. Schiffszwieback. Es enthält ebenso viel Gerste und Roggen wie Weizen, wenn nicht sogar mehr. Gemüse und Obst sind natürlich am besten, auf See aber nicht zu kriegen. Mein Vetter importiert für ein paar Seekapitäne eingestampftes, gegorenes Weißkraut aus Bremen. Das ist billiger als Malzextrakt und ebenfalls sehr gut gegen Skorbut. Das Dumme ist nur, dass Seeleute kein Sauerkraut mögen und mit der Peitsche gezwungen werden müssen, es zu essen.«
    »Was weißt du eigentlich nicht?«, fragte Joey Long, dem Richard wie ein wandelndes Lexikon vorkam.
    »Ich selbst weiß nicht viel, Joey. Mein Vetter ist der Quell des Wissens. Ich brauchte ihm nur zuzuhören.«
    »Und darin bist du ein Meister«, sagte Bill Whiting. Er trat zurück und begutachtete das Ergebnis ihrer Arbeit, die fast getan war. »Ein Gutes hat die Tünche ja. Es wird hier unten viel heller, selbst bei vergitterten Luken.« Er legte Will Connelly den Arm um
die Schulter. »Wenn wir uns direkt unter der Luke an den Tisch setzen, haben wir sogar genug Licht zum Lesen.«
     
    Anfang April waren die Sträflinge wieder vollzählig an Bord, und die Arbeiten an Back und Achterhütte schritten rasch voran. Captain Sinclair hatte beschlossen, das neue Quartier für die Mannschaft Binnenbords zu errichten, sodass auf beiden Seiten ein schmaler Durchgang frei blieb, der etwa drei Fuß breit war und einen leichten Zugang zum Bug ermöglichte, wo sich die Mannschaftslatrinen befanden. Für die Sträflinge, die während der Hygienemaßnahmen an Bord geblieben waren, war es ein Segen: Die Luken standen offen, und so konnten sie auf den Abtritt gehen und brauchten nicht die Nachttöpfe zu benutzen. Über der Luke vor dem Vormast wölbte sich nun ein hundehüttenähnlicher Aufbau, damit der Koch auch bei Regen trockenen Fußes in die Brennholzlast gelangen konnte, und auch die hintere Luke, die direkt vor dem Achterdeck ins Zwischendeck führte, war überdacht. Dagegen blieben die beiden Gefängnisluken einfache, mit einer Gräting aus Eisen versehene Deckluken, die bei Bedarf mit einem schweren Deckel verschalkt werden konnten.
    Sobald die ersten Brecher das Deck überfluten, dachte Richard, werden sie die Luken verschließen, und dann sitzen wir für die Dauer des Unwetters im Dunkeln. Ohne Tageslicht, ohne Frischluft.
    Obwohl die Sträflinge jeden Tag frisches Fleisch und Gemüse bekamen und sich am Oberdeck die Beine vertreten durften, stieg die Zahl der Kranken an Bord. Willy Wilton starb, wenn auch nicht an der mumpsartigen Krankheit. Er war das erste Opfer unter den Sträflingen aus dem Westen. Er hatte sich bei dem scheußlichen Wetter eine Erkältung zugezogen, die sich ihm auf die Brust legte. Bordarzt Balmain verordnete ihm heiße Umschläge, die den Schleim lösen sollten, das einzige Mittel gegen Lungenentzündung, doch Willy starb. Ike Rogers verwand seinen Tod nicht. Er war schon längst nicht mehr der großmäulige Rabauke, den Richard in Gloucester kennen gelernt hatte.
    Auch andere starben. Die Zahl der Todesfälle im April erhöhte sich bis Ende des Monats auf zwölf. Und wieder griff die Krankheit
auf die Seesoldaten über - Fieber, Lungenentzündung, Delirium, Bewusstlosigkeit. Drei verängstigte Seesoldaten desertierten, ein vierter am Letzten des Monats. Ein Sergeant, ein Trommler und vierzehn Soldaten kamen ins Hospital. Ersatz war nur schwer zu finden. Innerhalb der Flotte galt die Alexander mittlerweile

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