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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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verändert.
    Zu dem Zeitpunkt, als die Alexander Plymouth passierte, hatten alle bis auf Ike Rogers und ein paar andere »Seebeine«. War man erst einmal daran gewöhnt, dass sich das Deck unter den Füßen hob und senkte, konnte man sogar den Gang entlangspazieren. Und so kam es, dass Richard bei einem Spaziergang dieser Art mit John Power, dem Chef im Bug, Bekanntschaft schloss.
    Power war ein gut aussehender junger Mann, geschmeidig und behänd wie eine Katze, mit dunklen Augen, grimmigem Blick und der merkwürdigen Angewohnheit, beim Reden wild mit den Händen zu fuchteln wie ein Franzose oder Italiener. Überhaupt machte er den Eindruck eines Mannes, der ständig unter Hochspannung stand, freilich nicht weil er besorgt oder gereizt gewesen wäre, sondern weil er vor Energie strotzte und ein überschäumendes Temperament besaß. Und seine Augen verrieten, dass er das Risiko liebte.
    »Richard Morgan!«, rief er, als Richard an seiner Koje am oberen Ende vorbeischlurfte, dort, wo Bugschott und Steuerbordwand zusammentrafen. »Willkommen in Feindesland.«
    »Ich bin nicht dein Feind, John Power. Ich bin ein friedliebender Mensch, der sich nur um seine eigenen Angelegenheiten kümmert.«
    »Und dazu gehört die ganze Backbordseite. Sehr sauber und ordentlich, wie ich höre. Alles in tadellosem Zustand.«
    »Du kannst uns ja mal besuchen und dich selbst überzeugen.« Power glitt aus der Koje und folgte Richard. »Aus der Nähe betrachtet, bist du ja schon ziemlich alt, Morgan.«
    »Im September bin ich achtunddreißig geworden, aber bis jetzt spüre ich mein Alter nicht übermäßig. Die fünf Monate auf der Alexander haben an meinen Kräften gezehrt, aber in Portsmouth
durften wir arbeiten, das hat gut getan. Beim Bilgedienst müssen immer wir Bristoler ran - unsere Nasen halten den penetrantesten Gestank aus. Wo wart ihr in dieser Zeit eigentlich? Auf dem Leichter, der Firm oder der Fortunee ?«
    »Auf dem Leichter. Ich komme mit der Besatzung der Alexander gut aus, deshalb sind meinen Männern die Gefangenenschiffe in Portsmouth erspart geblieben.« Power stieß einen tiefen Seufzer aus. »Ich gedenke, auf der Alexander so bald wie möglich als Seemann zu arbeiten. Mr Bones, der dritte Maat, hat es mir versprochen. Dann bin ich bald wieder der Alte.«
    »Ich dachte, wir müssten die ganze Fahrt über unter Deck bleiben.«
    »Nicht, wenn es stimmt, was Mr Bones sagt. Gouverneur Phillip will nicht, dass wir hier unten vor die Hunde gehen. Er braucht in der Botany Bay Leute, die arbeiten können.«
    Sie waren an der Salzwassertonne am Steuerbordschott angekommen und drehten wieder um. Power blickte verstohlen zu Will Connelly hinüber, der über seinen Defoe gebeugt am Tisch saß. »Können bei euch eigentlich alle lesen?«, fragte er mit einem Anflug von Neid.
    »Sechs ja, und fünf davon stammen aus Bristol - Crowder, Davis, Connelly da drüben, Perrott und ich. In Bristol gibt es viele Armenschulen.«
    »In London so gut wie keine. Früher habe ich es immer für Zeitverschwendung gehalten, Bücher zu lesen, schließlich hängt über jedem Laden ein Schild, das Auskunft darüber gibt, was einen drinnen erwartet.« Er breitete die Hände aus. »Heute bin ich anderer Meinung. Mit Lesen könnte man sich die Zeit vertreiben.«
    »Wenn du erst in der Takelage bist, fehlt dir das Lesen nicht mehr. Bist du verheiratet?«
    »Ich doch nicht!« Power drehte die Daumen nach unten. »Frauen sind Gift.«
    »Nein, sie sind wie wir - es gibt gute, schlechte und durchschnittliche.«
    »Wie viele von jeder Sorte kennst du denn?« Power grinste und entblößte gesunde weiße Zähne. Er war also kein Trinker.

    »Mehr gute als schlechte, und keine durchschnittlichen.«
    »Und Ehefrauen?
    »Laut meiner Akte zwei.«
    »Wie ich von Leutnant Johnstone erfahren habe, befinden sich keine Gerichtsakten an Bord!« Power ballte schadenfroh die Fäuste. »Hält man das für möglich? Das Innenministerium ist nicht in der Lage, Phillip eine Liste der Gefangenen zu schicken, deshalb weiß hier keiner, weshalb man uns verknackt hat und wie lange wir noch brummen müssen. Das werde ich ausnutzen, sobald wir in der Botany Bay sind.«
    »Dann ist das Innenministerium anscheinend ebenso tüchtig wie das Bristoler Steueramt«, erwiderte Richard. Sie standen wieder vor Powers Koje, und Power schwang sich hinauf. So geschmeidig wie Stephen Donovan, dachte Richard, der nun, da sie wieder unter Deck eingesperrt waren, die Gesellschaft des vierten Maats

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