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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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als Todesschiff, und sie sollte diesem Ruf gerecht werden. Von Zeit zu Zeit wurden alle bis auf die ursprünglichen Insassen - 71 Mann seit Willy Wiltons Tod - von Bord gebracht, damit die Decks mit Essig gereinigt, ausgeschwefelt, mit Teeröl geschrubbt und getüncht werden konnten. Und jedes Mal fand Richards Backbordgruppe faulige Bilgen vor.
    »Als hätte das Schiff überhaupt keine Pumpen«, sagte Mikey Dennison angewidert. »Sie funktionieren nicht.«
    Drei weitere Männer starben. Damit stieg die Verlustliste seit dem 1. April auf 15, während die Gesamtzahl der Sträflinge von 210 auf 195 schrumpfte.
    Am 11. Mai, über vier Monate nach Verlegung der Sträflinge auf das Todesschiff, traf die Nachricht ein, dass Gouverneur Phillip endlich an Bord seines Flaggschiffs Sirius gegangen sei und dass die aus elf Fahrzeugen bestehende Flotte am folgenden Tag Segel setzen würde. Doch nichts geschah. Die Matrosen des Versorgungsschiffs hatten ihre Löhnung nicht erhalten und rührten keinen Finger, solange sie nicht bezahlt wurden. Die Sträflinge auf der Alexander lagen meist in ihren Kojen und schliefen. Sie hatten endlich Decken bekommen, allerdings nur jeweils eine für zwei Mann.
    Am 13. Mai, etwa eine Stunde nach Tagesanbruch - da die Sommersonnenwende näher rückte, wurde es früh hell -, stellte Richard beim Aufwachen fest, dass die Alexander Fahrt machte. Er hörte das Knarren der Spanten und das leise Streichen des Wassers an der Bordwand. Für Ike war das leichte Rollen schon zu viel. Er musste sich übergeben, doch seine Gefährten hatten Vorsorge getroffen und ihm den Essnapf des toten Willy gegeben, den Joey Long, wann immer nötig, in den Nachttopf leerte.
    Robert Jefferies aus Devizes starb noch am selben Tag an Lungenentzündung. Für ihn und viele andere waren die Decken zu spät gekommen.

    Noch am selben Tag passierten sie die Needles am Westzipfel der Isle of Wight. Die Alexander bewegte sich lebhafter als je zuvor auf der gemächlichen Fahrt von Tilbury nach Portsmouth. Sie stampfte leicht und rollte so heftig, dass die meisten Sträflinge seekrank wurden und in die Kojen flüchteten. Auch Richard verspürte einen Brechreiz, doch er verflog drei Stunden später wieder. Ob Leute aus Bristol automatisch »Seebeine« bekamen, wie es unter Matrosen hieß? Den anderen Bristolern - Connelly, Perrott, Davis, Crowder, Martin und Morris - erging es ähnlich. Die Jungs vom Land hatte es offensichtlich am schlimmsten erwischt, aber keinen so schlimm wie Ike Rogers.
    Am nächsten Tag kamen Leutnant Shairp und Bordarzt Balmain durch die hintere Luke, etwas wackliger zwar als in ruhiger See, aber doch noch würdevoll genug, um Eindruck zu machen. Zwei Seesoldaten schafften den toten Robert Jefferies fort, während Shairp und Balmain sich an den Verschlägen den schwankenden Gang entlanghangelten, wobei der Leutnant geflissentlich darauf achtete, nicht in Erbrochenes zu fassen. Ihre Befehle lauteten wie immer: raus und Deck reinigen, raus und Nachttöpfe leeren, raus und Kojen putzen, einerlei wie seekrank die Männer waren. Wer seine Decke verschmutzt hatte, musste sie reinigen, wer sich besudelt hatte, musste sich waschen.
    »Hoffentlich tun sie das jeden Tag«, sagte Connelly. »Denn dann bleibt es hier unten sauber.«
    »Mach dir keine falschen Hoffnungen«, sagte Richard. »Das hat sich Balmain ausgedacht, nicht Shairp, und Balmain geht nicht methodisch vor. Mindestens die Hälfte der Leute hier unten hat sich in ihrem ganzen Leben noch nie gewaschen. Wenn wir hier bei uns auf Sauberkeit achten und die anderen mitziehen, so haben wir das meinem Vetter James und dem Umstand zu verdanken, dass ich jedem, der mich hören kann, so lange in den Ohren liege, bis er sich aus lauter Angst vor mir lieber wäscht.« Er grinste. »Haben sie sich erst mal ans Waschen gewöhnt, werden sie Gefallen daran finden, sauber zu sein.«
    »Du bist ein komischer Vogel, Richard«, sagte Will Connelly. »Du kannst sagen, was du willst, aber auf der Backbordseite bist
du unbestreitbar der Chef.« Er schloss die Augen und horchte in seine Gedärme hinein. »Mir geht es gut, also werde ich ein wenig lesen.« Er setzte sich mit seinen drei Bänden Robinson Crusoe direkt unter der Luke an den mittleren Tisch, schlug den ersten Band auf und war bald, ohne auf die Bewegung des Schiffs zu achten, in die Lektüre vertieft.
    Richard rutschte mit seinem geografischen Weltalmanach neben ihn. Die getünchten Wände hatten alles

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