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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Ohren, sind aber klug genug, es sich nicht mit den Leuten zu verderben, die ihnen die Schreibarbeit geben. Deshalb werden sie sicher nichts stehlen. Drohen Sie ihnen einfach damit, sie müssten sonst täglich ein Dutzend Bäume fällen, dann werden sie sich tadellos benehmen.«
    »Und Sie selbst?«
    »Ich kann anderswo von größerem Nutzen sein, Sir.«
    »Wo?«
    »Ich kann Sägen, Äxte, Beile und andere Dinge, die eine scharfe Schneide haben müssen, schärfen. Außerdem kann ich die Zähne einer Säge schränken, was keine geringe Kunst ist. Ich habe einige Werkzeuge hier, und wenn meine Werkzeugkiste auf ein Schiff gebracht wurde, habe ich alles, was ich brauche.« Er räusperte sich. »Ich möchte ja niemandem zu nahe treten, Sir, aber die Äxte und Beile sind in einem erbärmlichen Zustand. Dasselbe gilt für die Spaten, Schaufeln und Hacken.«
    »Ich weiß«, sagte Major Ross grimmig. »Wir wurden übers Ohr gehauen, Morgan, und zwar von den knauserigen Beamten der Admiralität, den Lieferanten und den Kapitänen der Transportschiffe. Einige von ihnen verkaufen jetzt eifrig Kleider und, wie ich Grund habe anzunehmen, auch persönliche Habseligkeiten der Sträflinge.« Er wandte sich zum Gehen. »Aber ich werde persönlich Erkundigungen einziehen, wo Ihre Werkzeugkiste geblieben ist. In der Zwischenzeit holen Sie sich alles Nötige von Furser.« Der Major nickte, stülpte sich den Dreispitz auf den Kopf und ging. Seine Uniform war immer makellos, auch bei schlechtestem Wetter.
    »Schicken Sie mir Crowder und Davis«, sagte Leutnant Furser. »Und dann sagen Sie mir, was Sie brauchen.«
    Richard holte Crowder und Davis und packte genügend Werkzeuge
und Materialien ein, um die Hütten fertig zu stellen und weitere für die weiblichen Sträflinge in Angriff zu nehmen.
     
    Die weiblichen Gefangenen rückten auf einmal in den Mittelpunkt des allgemeinen Interesses. Die männlichen Sträflinge und die unverheirateten Seesoldaten wollten ihre seit über einem Jahr unerfüllten geschlechtlichen Bedürfnisse befriedigen. Nach Einbruch der Dunkelheit herrschte gewöhnlich ein so reges Kommen und Gehen, dass auch nicht die zehnfache Anzahl an Wachsoldaten es hätte unterbinden können. Den Wachsoldaten ging es außerdem selbst nicht anders. Ein Problem war nur, dass es nicht annähernd genug Frauen gab und auch nicht alle Frauen bereit waren, ausgehungerten Männern Befriedigung zu verschaffen. Einige Frauen fanden sich allerdings mit ihrem Los ab und standen den Ankömmlingen bereitwillig zu Diensten. Andere machten es für einen Krug Rum oder ein Männerhemd. Dass es nur selten zu Vergewaltigungen kam, lag an der Bereitwilligkeit einiger Frauen, mehrere Männer zu befriedigen, aber auch an der Scheu vieler Männer, sich den Frauen gegen deren Willen aufzudrängen.
    Der Gouverneur, die Offiziere und Reverend Richard Johnson freilich, die ihre eigenen Frauen hatten, waren über den Betrieb im Frauenlager entrüstet. Was für ein lasterhaftes Treiben! Es musste etwas geschehen!
    Auch die Männer aus Richards Gruppe stahlen sich nach Einbruch der Dunkelheit davon, das heißt alle außer Richard, Taffy Edmunds und Joey Long. Joey schien an MacGregor genug zu haben. Taffy war ein Eigenbrötler mit frauenfeindlichen Neigungen, die sich durch die plötzliche Nähe weiblicher Wesen noch verstärkten. Das Singen genügte ihm. Was Richard betraf, so wusste er selber nicht genau, warum er das Frauenlager mied. Wahrscheinlich war er auch ein Eigenbrötler. Die Vorstellung, über drei Jahre nach Annemarie Latour und nach zwei Jahren ohne jede weibliche Gesellschaft wieder mit einer Frau zu schlafen, war ihm unerträglich. Seit Annemarie Latour hatte er kein sexuelles Verlangen mehr verspürt. Warum, wusste er nicht. Es war nicht etwa das Erlöschen seiner Lebenskraft, eher schon eine schreckliche Scham
und Schuldgefühle, wie Richard sie nach dem Tod William Henrys und in der Folge so vieler anderer Verluste empfunden hatte. Aber er wollte nicht genauer darüber nachdenken. Er wusste nur, dass ein Teil von ihm tot und ein anderer Teil in einen traumlosen Schlaf gefallen war. Ob er sich dadurch beeinträchtigt oder befreit fühlen sollte, wusste er nicht. Traurig war er jedenfalls nicht darüber.
     
    Am 7. Februar fand eine große Zeremonie statt, der die Sträflinge erstmals beiwohnen sollten. Um elf Uhr morgens mussten sie nach Männern und Frauen getrennt am südöstlichen Zipfel der Bucht auf dem für die Felder gerodeten

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