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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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nach so langer Zeit wohl verträgt? Wo sind denn die Aborte?«
    »Ziemlich weit weg. Du musst also rechtzeitig losrennen. Mr King bestand darauf, dass die Jauchegruben an einer Stelle ausgehoben werden, wo sie das Grundwasser nicht verseuchen können. Unser Trinkwasser kommt aus einem Bach weiter oben im Tal, es ist also einwandfrei. Oberhalb der Stelle, an der wir das Wasser holen, darf niemand sich waschen, und wer in den Bach pinkelt, wird mit einem Dutzend Peitschenhieben bestraft.«
    »Warum sollte jemand in den Bach pinkeln? Es sind doch genug Bäume da.«
    Joey Long, der schon früher gegessen hatte, weil er MacGregor Delphinia vorstellen musste, zeigte Richard den Weg zu den Aborten und führte ihn anschließend zu ihrer Hütte. Ein kurzer Tannenast, der sich an einem Ende zu einem Knoten verdickte, diente ihm als Fackel.
    In der Hütte sah Richard sich erstaunt um.
    »Wir beide haben das ganze Haus für uns allein«, sagte Joey zufrieden. »Es hat auf jeder Seite ein Fenster, das man mit einem Laden zumachen kann. Siehst du, so. Aber wir machen die Läden nur zu, wenn es zieht. Nat sagt, es kommt selten vor, dass der Regen von Osten oder Westen gegen das Haus schlägt. Meistens kommt er von Norden.«
    Auf dem Boden lag ein seltsamer Teppich aus - Zweigen? Blättern? Sie sahen aus wie schuppige, zwölf bis fünfzehn Zoll lange Schwänze und fühlten sich fest an, gaben aber unter den Füßen etwas nach und stammten, wie Richard später erfuhr, von der Norfolktanne. Unter dem Pflanzenteppich kam eine dünne Schicht Sand, darunter Fels. An der fensterlosen Wand zum Strand hin standen zwei niedrige Doppelbetten aus Holz mit dicken Matratzen und Kissen.
    »Ein Doppelbett ganz für mich allein, Joey?« Richard hob die dicke Matratze an und sah, dass sie auf einem Netz aus Seilen lag. Dann stellte er fest, dass die Matratze und die Kissen mit Federn
gefüllt waren. »Federn!«, rief er und lachte. »Ich muss gestorben sein, und jetzt bin ich im Himmel.«
    »Das ist das Haus des Sägers«, erklärte Joey, begeistert, so viel mehr zu wissen als Richard. »Er war ein Matrose von der Sirius , hat Nat gesagt, und er teilte sich das Haus mit einem anderen Matrosen, ebenfalls von der Sirius . Beide ertranken vor knapp drei Monaten bei einem Unfall auf dem Riff. Als freie Männer hatten sie Zeit, zu der kleinen Insel rauszufahren und dort Vögel zu schießen. Mit den Federn füllten sie ihr Bettzeug - für eine Matratze und zwei Kissen braucht man tausend Vögel, hat Nat gesagt. Und jetzt haben wir das Haus und die Betten bekommen.« Joeys Miene verdüsterte sich. »Allerdings hat Nat auch gesagt, dass wir das Bettzeug Mr Donovan und Mr Livingstone überlassen müssen, wenn nach der Abfahrt der Golden Grove ein Haus für die beiden gebaut wird. Zurzeit wohnen sie noch bei Mr King. Das Haus hier ist nur zehn mal acht Fuß groß, aber das von Mr Donovan soll zehn mal fünfzehn Fuß groß werden. Bisher war Nat Oberschreiner, aber er ist ein Sträfling, deshalb ist ab jetzt Mr Livingstone der Oberschreiner.«
    »Auch wenn ich nur eine Nacht auf dieser Matratze und mit diesen Kissen schlafe, ich werde darin schlafen wie ein König«, sagte Richard. »Aber zuerst gehe ich noch zum Strand, um mich zu waschen. Komm mit, Joey, das tut dir auch gut.«
    Doch Joey wehrte sich mit Händen und Füßen dagegen, Richard zu begleiten. Die Vorstellung, bis zu den Knien in einem Gewässer voller unsichtbarer Ungeheuer zu stehen, die nur darauf warteten, ihn und MacGregor zu verschlingen, jagte ihm kalte Schauer über den Rücken. Also ging Richard allein.
    Der Himmel war sternenklar. Richard zog sich aus, lief in das überraschend kalte Wasser und blieb wie verzaubert stehen. Um ihn schimmerte und blitzte das Wasser, als würde er in flüssigem Silber baden. Was für ein Meer! Wie viele Wunder barg es? Es leuchtete wie von innen. Richard beobachtete, wie das Wasser in glänzenden Rinnsalen seine Arme entlanglief und glitzernde Tropfen aus seinen Haaren fielen. Schön! Herrlich! Er fühlte sich wie von Kraft durchströmt, als würde die Kraft des lebendigen
Meeres wie durch ein Wunder der Natur auf seinen Körper übertragen.
    Er drehte sich zum Strand um und sah, dass die Insel gar nicht so flach war, wie sie vom Ankerplatz der Golden Grove aus gewirkt hatte. Jetzt, da er direkt vor ihr stand, ragten hinter dem flachen Uferstreifen steile Hügel auf, besetzt mit Wäldern von Tannen, deren stachlige Kronen sich schwarz vom Sternenhimmel

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