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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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die Decks vom herabgestürzten Takelwerk befreiten, wurde eine sieben Zoll starke Trosse zum Ufer geschleppt und dort hoch an einer Tanne befestigt. Wer an Bord nicht gebraucht wurde, klammerte sich an das dicke Tau und wurde durch die steigende Nachmittagsflut an Land gezogen. Da das Tau in der Mitte durchhing, zog sich Captain Hunter, der als Erster ans Ufer gewinscht wurde, unterwegs etliche blaue Flecken, Beulen und Schnittwunden zu. Ross bemerkte es voller Schadenfreude. Außerdem würde der Kapitän sich in England vor Gericht für den Verlust seines Schiffes verantworten müssen.
    Die Nachricht erreichte die Sägegruben so schnell wie alle schlechten Nachrichten. Richard ließ die Säger mit der Arbeit
weitermachen, solange sie an der Unglücksstelle nicht gebraucht wurden. Die vielen Neuankömmlinge benötigten dringend Unterkünfte; außerdem saßen nun auch noch die rund hundert Männer von der Sirius auf der Insel fest. Wenn die Sirius nicht nach China fahren konnte, dachte Richard, musste der Gouverneur wohl die Supply schicken, und das bedeutete für die Menschen auf der Insel mehrere Monate ohne Nachschub. Richard sollte Recht behalten.
    Am Samstagmorgen war die Sirius trotz des stark beschädigten Rumpfes noch nicht gesunken oder auseinander gebrochen. Mit dem Heck nach oben hing sie auf dem Riff. Inzwischen wehte ein stürmischer Wind und dunkle Wolken verhießen Regen, doch trotz des schlechten Wetters wurden den ganzen Tag lang Vorräte von Bord geholt. Um vier Uhr nachmittags kamen die letzten Männer der Sirius an Land, nachdem sie die ganze Fracht zum Abtransport auf die freigeräumten Decks geschleppt hatten.
    Am selben Morgen um neun Uhr berief King auf Drängen von Major Ross eine Versammlung aller Offiziere der Sirius und des Korps der Seesoldaten ein. Ross führte den Vorsitz.
    »Angesichts der Notlage hat Leutnant King mir als Vizegouverneur das Kommando übertragen«, begann Ross. Seine hellen Augen glänzten stählern wie ein See im schottischen Hochland. »Es müssen Entscheidungen getroffen werden, die Ruhe und Ordnung auf der Insel sichern. Die Supply kann ungefähr zwanzig Mitglieder der Besatzung der Sirius sowie Mr King, seine Lebensgefährtin und seinen Sohn nach Port Jackson mitnehmen. Sie muss so schnell wie möglich aufbrechen. Seine Exzellenz muss unverzüglich von der Katastrophe unterrichtet werden.«
    »Es war nicht meine Schuld!«, stieß Hunter hervor. Er hatte eine Schnittwunde im Gesicht und war so bleich, als würde er gleich in Ohnmacht fallen. »Wir konnten das Schiff nicht wenden! Es war unmöglich, weil der Wind plötzlich drehte - es ging alles so wahnsinnig schnell!«
    »Ich habe diese Versammlung nicht einberufen, um die Schuldfrage zu klären, Captain Hunter«, sagte Ross barsch. »Unser Problem ist, dass in einer Kolonie, die vor sechs Tagen noch 149 Einwohner
hatte, nun mehr als 500 Leute leben, darunter 300 Sträflinge und über 80 Männer von der Sirius . Letztere werden als Seeleute weder bei der Beaufsichtigung der Sträflinge noch bei der Feldarbeit eine große Hilfe sein. Mr King, glauben Sie, dass Gouverneur Phillip die Supply von Port Jackson wieder hierher schickt?«
    King sah ihn erschreckt und verwirrt an, dann schüttelte er heftig den Kopf. »Nein, Major Ross, mit der Rückkehr der Supply können Sie nicht rechnen. So weit ich unterrichtet bin, sind die Leute in Port Jackson am Verhungern, und niemand weiß, warum kein Nachschub eintrifft. Seine Exzellenz hegt die Befürchtung, dass man uns in England vergessen hat. Nach der Havarie der Sirius ist die Supply die einzige Verbindung zur Außenwelt. Der Gouverneur wird sie nach Kapstadt oder Batavia schicken, um Nahrungsmittel zu besorgen. Ich schätze, er wird sich für Batavia entscheiden, weil die Reise dorthin für ein altes Schönwetterschiff wie die Supply weniger beschwerlich ist. Vor allem aber muss er jemanden nach England schicken, der die dort zuständigen Herren daran erinnert, dass die Zustände in beiden Kolonien katastrophal sind - falls nicht doch noch ein Versorgungsschiff eintrifft. Aber das wird leider immer unwahrscheinlicher.«
    »Wir können also nicht auf ein Versorgungsschiff hoffen, sondern werden uns auf das Schlimmste vorbereiten, Mr King. Es sind noch Weizen und Mais im Speicher, doch mit der Aussaat müssen wir noch mindestens zwei Monate warten, sodass es noch acht oder neun Monate bis zur nächsten Ernte sind. Wenn wir es schaffen, allen Proviant von der Sirius zu

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