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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Schalen und brach einen Laib Brot in zwei Teile. »Ich halte es nicht für ratsam, den Major damit zu behelligen, solange Mrs Morgan seine Wirtschafterin ist. Sie erfährt noch früh genug, dass du eine streunende Katze aufgenommen hast. Ein Glück, dass Kitty mit Nachnamen Clark heißt! Ich gehe zu unserem lieben Leutnant Clark und erzähle ihm die Geschichte. Ich mache ihm klar, dass Kitty ein anständiges Mädchen ist. Da sie Clark heißt, wird er mir gerne glauben. Außerdem kann er Tom Jones den Zweiten nicht ausstehen. In dieser Hinsicht beweist er guten Geschmack. Doch ich fürchte, Kittys Habseligkeiten werden wir nicht wieder sehen - Jones hat sie bestimmt schon einer Hure als Gegenleistung für ihre Gefälligkeiten verehrt.«
    Richard hob Kittys Schuhe auf und rümpfte die Nase. »Die stinken ja schlimmer als die Bilgen der Alexander .« Er warf sie ins Feuer und wusch sich auf Stephens Arbeitsbank sorgfältig die Hände. »Sieh zu, dass du Leutnant Clark ein Paar neue Schuhe für sie abschwatzt. In den Vorratslagern gibt es zurzeit welche.«
    Er setzte sich und aß gierig seine Suppe. »Ich habe sie für eine Katze gehalten«, sagte er unvermittelt.
    »Bitte?«
    »Kitty. Sie hat im Wald miaut. Es klang nach einer Katze. Ich sah nach, weil ich hoffte, einen neuen Rodney für dich zu finden.«
    Stephen sah ihn über den Tisch hinweg an. Das war wieder typisch für Richard! Dachte er eigentlich nie zuerst an sich selbst? Und jetzt dieses arme Mädchen, das ebenso wenig eine Verbrecherin war wie die Jungfrau Maria. Eine Landpomeranze aus dem Arbeitshaus. Was war nur in ihn gefahren? Wieso hatte er sich in
sie verliebt? Warum gerade in sie? Er hatte dutzenden von Mädchen und Frauen an Land geholfen, einige davon bildschön, temperamentvoll, geistreich, sogar kultiviert. Nicht jeder weibliche Sträfling war eine Hure. Warum also ausgerechnet Catherine Clark? Verhärmt und reizlos, eine blonde Unschuld vom Land, eine graue Maus ohne Anmut und Witz.
    »Nett von dir, dass du daran gedacht hast«, sagte Stephen, »aber Olivia hat mir eins von ihren Kätzchen versprochen, einen orangefarbenen Kater ohne den kleinsten weißen Fleck. Er hat auch schon einen Namen - Tobias.« Seine Schale war leer, und so stand er auf und ging zum Topf, um nachzusehen, ob noch genug für sie beide und Kitty da war. »Hast du jemals solche Augen gesehen?«, fragte er auf dem Weg zum Kamin.
    Er hatte sich abgewandt und konnte deshalb nicht sehen, wie Richard zusammenzuckte, doch als er sich wieder umdrehte, lag so viel Leid in den Zügen des Freundes, dass er erschrak.
    »Ja«, sagte Richard fest, »ich habe solche Augen schon mal gesehen. Bei meinem Sohn, William Henry.«
    »Du hattest einen Sohn, Richard?«
    »William Henry, ja. Seine Schwester starb an den Pocken, bevor er auf die Welt kam. Seine Mutter starb völlig unerwartet, als er acht war. Er…er verschwand kurz vor seinem zehnten Geburtstag. Die Leute glaubten, er sei im Avon ertrunken, aber ich glaubte es nicht. Vielleicht sollte ich auch sagen, ich wollte es nicht glauben. Er war mit einem Lehrer seiner Schule zusammen. Der Lehrer erschoss sich später und hinterließ einen Abschiedsbrief, in dem er sich die Schuld an William Henrys Tod gab, was die Verwirrung nur noch größer machte. Ganz Bristol suchte eine Woche lang nach William Henrys Leichnam, aber er wurde nie gefunden. Ich setzte die Suche alleine fort. Am schlimmsten war die Ungewissheit - war er tot, und wenn ja, wie war er gestorben? Der Einzige, der es mir vielleicht hätte sagen können, hatte sich das Leben genommen.«
    Umso erstaunlicher, dachte Stephen, dass er mich, eine schamlose Schwuchtel, wie einen Bruder behandelt. Der Lehrer - was für ein Beruf für einen Kinderschänder! - hat sich an ihm vergangen.
Da gehe ich jede Wette ein, und Richard weiß es auch. Trotzdem hat er mich mit diesem Kerl nie in einen Topf geworfen. »Erzähl weiter, Richard«, sagte er leise.
    »Danach lag mir nichts mehr am Leben. Du kennst ja die Geschichte von dem Steuerbetrug und den Schwindlern, die mich in Gloucester vor Gericht gebracht haben, um mich loszuwerden.« Richard senkte den Kopf und starrte nachdenklich auf den Tisch. »Aber jetzt weiß ich, dass William Henry tot ist. Kittys Augen sind ein Zeichen des Himmels. Sie sind die Antwort auf viele Fragen.«
    Stephen weinte. Aus Mitleid mit Richard, aber auch vor Kummer über seinen eigenen Verlust. Auch wenn er sich nie wirklich Hoffnungen auf Richards Liebe gemacht

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