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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Clifton Hill. Dort scheuchen sie eine Weile Kühe und Schafe über die Weide, dann kommen sie am Avon entlang zurück. Sie werfen Steine ins Wasser und lachen die ganze Zeit.«
    »So erzählt es William Henry, aber sicher nicht Richard.«
    »Richard sagt gar nichts«, sagte Dick verdrossen.
    »Ihr zwei seid sehr verschieden«, sagte Vetter James. Er ging zur Tür. »So was kommt vor. Danke lieber Gott dafür, dass Richard und William Henry sich gleichen wie ein Ei dem andern.« Er holte tief Luft. »Das ist doch wunderbar.«
     
    Am darauf folgenden Sonntag spazierten Richard und William Henry nach dem Gottesdienst und einer erfrischenden Predigt von Vetter James, dem Kirchenmann, durch Clifton in Richtung Hotwells.
    Noch vor zehn, zwanzig Jahren war Bristols Kurort drauf und dran gewesen, Bath als Heilbad für die feine Gesellschaft Konkurrenz zu machen. In den Gästehäusern am Dowry Place, am Dowry
Square und an der Hotwells Road logierten elegante Besucher in teuren Kleidern, Herren mit hohen Perücken und bestickten Mänteln, die mit geschmacklos herausgeputzten Damen am Arm auf hochhackigen Schuhen dahertrippelten. Es gab Bälle und Soirees, Konzerte und Unterhaltung aller Art, sogar Theatervorstellungen im alten Schauspielhaus von Clifton an der Wood Wells Lane. Es hatte Intrigen und Skandale gegeben, Romanautoren hatten ihre Heldinnen nach Hotwells geschickt, und die Ärzte der Reichen hatten die Heilkraft der Quellen gepriesen.
    Und dann war plötzlich verschwunden, was die Faszination dieses Ortes ausgemacht hatte. Die Mode hatte den Ort gemacht, die Mode stieß ihn wieder in die Bedeutungslosigkeit zurück. Die eleganten Besucher kehrten nach Bath zurück oder zogen gleich nach Cheltenham weiter, das Wasser von Hotwells wurde hauptsächlich zum Exportartikel. Mit dem Wasser gefüllte Flaschen gelangten bis nach China, Kalifornien und Calabar, nur Hotwells selbst war als Kurort Geschichte.
    Richard und William Henry war das nur recht, denn das bedeutete, dass sie bei einem Sonntagsausflug nur eine Hand voll anderer Spaziergänger von weitem sahen. Mag hatte ihnen ein Essenspaket mitgegeben. Es enthielt gebratenes Hühnerfleisch, Brot, Butter, Käse und ein paar Frühäpfel, die ihr Bruder von seinem Hof in Bedminster geschickt hatte. Richard trug das Essen zusammen mit einer Flasche Dünnbier in einem Tornister auf dem Rücken. Hinter dem klobigen Kasten des Kurhauses, das auf einer Felsplatte stand, direkt über der Hochwassermarke, bei der die Avon-Schlucht endete, fanden sie ein geeignetes Plätzchen für ihr Picknick.
    Die Aussicht war grandios. Die St.-Vincent-Felsen und die Felsen der Schlucht leuchteten in den verschiedensten Tönen von Rot, Pflaumenblau, Rosa, Rostrot, Grau und Weiß, der Fluss war ein stahlblaues Band, und die Bäume wuchsen so üppig, dass sie sogar die Schornsteine von Mr Codringtons Messinggießerei verdeckten.
    »Kannst du schwimmen, Papa?«, fragte William Henry.
    »Nein«, sagte Richard. »Deshalb sitzen wir hier und nicht direkt am Ufer.«

    William Henry sah nachdenklich in den dahinströmenden Fluss. Die Flut lief immer noch auf, und die Wirbel und Strudel des Wassers waren deutlich zu sehen. »Das Wasser bewegt sich, als sei es lebendig.«
    »Das ist es ja im Grunde auch. Und es ist hungrig, vergiss das nie. Es würde dich hinunterziehen und mit Haut und Haaren verschlingen. Du würdest nie mehr auftauchen. Also keine unvorsichtigen Sprünge am Ufer, hast du mich verstanden?«
    »Ja, Papa.«
    Nach dem Essen streckten die beiden sich auf dem Gras aus. Die zusammengerollten Mäntel dienten als Kopfkissen. Richard schloss die Augen.
    »Simp ist fort«, sagte William Henry unvermittelt.
    Sein Vater öffnete belustigt ein Auge. »Kannst du denn nie für eine Weile still sein?«
    »Nicht oft, und jetzt auch nicht. Simp ist fort.«
    »Du meinst, er unterrichtet dich nicht mehr? Aber jetzt hat ja auch schon dein drittes Schuljahr bei Colston begonnen, das war also zu erwarten.«
    »Nein, Papa, ich meine, er ist überhaupt nicht mehr an der Schule! Seit den Sommerferien. Johnny meint, er sei zu krank gewesen, um weiterzuarbeiten. Der Schulleiter fragte den Bischof, ob er in einem Armenhaus untergebracht werden könnte, aber der Bischof sagte, Armenhäuser seien nicht für Kranke da, sondern für Be - Be - jetzt fällt mir das Wort nicht ein.«
    »Bedürftige?«
    »Ja genau, für Bedürftige! Deshalb hat man ihn mit einer Sänfte ins St.-Peter-Krankenhaus gebracht. Johnny sagt, er

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