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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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erzähl mir, was passiert ist.« Richard bot dem Vetter sein gebrauchtes Taschentuch an.
    Vetter James zog ein sauberes Taschentuch aus der Hosentasche und tupfte sich die Tränen ab. Dabei beruhigte er sich nach und nach. »Wir sehen unser Geld nicht wieder, Richard«, sagte er. »Latimer hat es mitgenommen und ist nach Connecticut verschwunden, wo er und Pickard Dampfmaschinen bauen wollen. Watts Patente sind dort seit dem Krieg nichts mehr wert.«
    »Ganz schön durchtrieben, dieser Mr Latimer!«, sagte Richard. »Können wir nicht Wasboroughs Gießerei pfänden und unser Geld zurückbekommen, indem wir Ketten für die Admiralität herstellen?«
    »Leider nein. Wasborough gehört gar nicht Latimer, sondern seiner Frau. Sein Schwiegervater, ein reicher Käsereibesitzer aus Gloucester, hat die Fabrik als Mitgift für sie gekauft. Ihr oder besser gesagt ihrem Vater gehört auch das Haus in der Dove Street.«
    »Dann lass uns nach Hause gehen«, sagte Richard. »Ins Cooper’s Arms. Du kannst bestimmt einen Schluck Cave-Rum vertragen, Vetter James.«

    Dick empfing sie nicht mit Vorwürfen. Er gab keinerlei Kommentar ab, auch nicht etwas in der Art von »Ich habe dich gewarnt!«. Er ließ nur den Blick von Richards gelassener Miene zu dem völlig zerknirschten Vetter James schweifen und behielt für sich, was er dachte.
    »Der Verlust des Geldes schmerzt mich nur aus einem einzigen Grund«, sagte Richard später zu seinem Vater. »Ich habe kein Geld mehr für William Henrys Ausbildung.«
    »Bist du nicht wütend?«, fragte Dick mit gerunzelter Stirn.
    »Nein, Vater. Wenn der Verlust meines Vermögens mein Anteil an den Sorgen der Welt ist, dann will ich mich glücklich schätzen. Was wäre, wenn ich Peg verloren hätte?« Er hielt den Atem an. »Oder William Henry?«
    »Gut, ich verstehe das. Ich verstehe es wirklich.« Dick langte über den Tisch und ergriff den Arm seines Sohnes. »Was William Henrys Ausbildung betrifft, so müssen wir eben beten, dass sich eine Lösung findet. Colstons Knabenschule kann er beenden, dafür habe ich genug auf die Seite gelegt. Also brauchen wir uns erst in drei Jahren Sorgen zu machen.«
    »Und ich muss jetzt eine Arbeit finden. Das Cooper’s Arms wirft nicht genug ab, um unsere beiden Familien zu ernähren.« Richard nahm Dicks Hand von seinem Arm und hob sie an seine Wange. »Ich danke dir, Vater, ich danke dir so sehr.«
    »Ach übrigens«, unterbrach ihn Dick, peinlich berührt von diesen so unmännlich zur Schau gestellten Gefühlen, »mir ist gerade etwas eingefallen! Der alte Tom Cave braucht jemanden in seiner Brennerei. Jemanden, der löten und schweißen kann. Geh hin und sprich mit ihm, Richard. Es ist vielleicht nicht das, wovon du träumst, aber ein Pfund pro Woche bringt es ein, und das reicht, bis sich etwas Besseres findet.«
    Nachdenklich verließ Richard Caves Brennerei in der Redcliff Street Nr. 137. Wenn man ihn gefragt hätte, welchem der beiden Männer er nicht traute, Tom Latimer oder Tom Cave, hätte er gesagt, Tom Cave. Inzwischen wusste er, dass sich hinter Latimers ewigem Lächeln sein Hass auf die ganze Welt verbarg und dass seine Referenzen gefälscht waren, aber Tom Cave sah trotzdem
aus wie ein Insasse aus dem Gefängnis von Bristol und sein Vorarbeiter William Thorne noch viel mehr. Aber Richards Vater kannte Cave schon seit seiner Jugend, also musste Richard sich irren. Abgesehen davon zahlte Cave doppelt so viel, wie Richard erwartet hatte. Zwei Pfund pro Woche. Das war nicht zu verachten.
     
    Der Besitz einer Rumbrennerei in Bristol kam einer Lizenz zum Gelddrucken gleich. Egal, wie hart die Zeiten waren und wie viele Arbeitslose es gab, Rum blieb eine krisenfeste Ware. Rum war nicht nur das beliebteste Getränk in Bristol, er wurde auch von jedem Schiff geladen, damit die Matrosen nicht meuterten. Solange sie nur ihre Tagesration Rum bekamen, aßen sie verschimmelten Schiffszwieback und Pökelfleisch, das so alt war, dass es beim Kochen zu nichts zusammenschrumpfte.
    Mr Caves Anwesen wirkte wie eine Festung. Es nahm den größten Teil einer kurzen Häuserzeile in der Redcliff Street nahe dem Redcliff-Hafenbecken ein. Vom Hafen holte Cave den von den Westindischen Inseln importierten Zucker, und dorthin brachte er den fertigen Rum zur weiteren Verschiffung, sobald der Kunde bezahlt hatte. Die Brennerei verfügte über ausgedehnte, stabil gemauerte Keller. Sie lagen wie die meisten Keller in Bristol unter öffentlichen Straßen. So sehr waren die

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