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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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zwischen seinen Handgelenken und dem eisernen Gürtel eine Art Netz bildeten, das die Kiste hielt und ihr Gewicht auf seine Arme und seinen Oberkörper verteilte.
    »Wenn du die Kiste so hältst, Willy, lässt sie sich leichter tragen«, sagte er zu seinem Schatten.
    »Mund halten!«, bellte Walter.
    Die schneidend kalte Luft draußen tat gut und roch himmlisch. Tief einatmend und mit weit offenen Augen schritt Richard vor ihrem Bewacher her, der bisher noch kein Wort gesagt hatte. War er ein Hilfspolizist aus Bristol?
    Was für eine Wohltat, aus dem stinkenden Verlies, herauszukommen! Das Gefängnis von Gloucester, einer kleinen Provinzstadt, war vermutlich erträglicher als das von Bristol. Schließlich stand in allen Zeitungen zu lesen, dass auf dem Land viel weniger Straftaten begangen wurden als in den Großstädten. Richard konnte sich auch damit trösten, dass er den größeren Teil seiner Haft bereits hinter sich hatte. Zur Fastenzeit, Ende März, fanden in Gloucester die nächsten Gerichtstage statt.

    Endlich frische Luft! Der bedrohlich finstere Himmel verhieß Schnee, doch Richard fror nur an den Ohren, die nicht mehr von Haaren bedeckt wurden. Sein Dreispitz mit der nach oben gebogenen Krempe schützte nur seinen Kopf. Aber was machte das schon? Mit leuchtenden Augen stapfte er die Narrow Wine Street entlang. Bei jedem Schritt klirrten seine Ketten.
    Es war noch früh am Morgen, doch die Bürger von Bristol standen zeitig auf. Sie mussten kurz nach Tagesanbruch an ihrer Arbeitsstätte sein. Dort arbeiteten sie im Winter acht, im Frühjahr und Herbst zehn und im Sommer zwölf Stunden. Deshalb sahen viele Menschen die drei Männer durch die Stadt laufen, die beiden Gefangenen voran, der Bewacher hinterher. Erschrecken malte sich auf Gesichtern, Passanten wechselten schnell die Straßenseite - niemand wollte einen Verbrecher streifen.
    Die Tore der Wasborough-Messinggießerei standen weit offen. Drinnen herrschte ein Inferno aus Flammen und Lärm - offenbar bekam die Königliche Marine jetzt die flachen Messingketten, die sie für ihre neuen Bilgenpumpen brauchte. Seit Richard sein Geld verloren hatte, war er nicht mehr dort gewesen.
    »Dolphin Street«, brummte der Hilfspolizist kurz, als sie die Straßenecke erreichten. Sie gingen also nicht in Richtung Cooper’s Arms, sondern nach Norden, über die Froom. Natürlich, denn an der Kreuzung von Kingsdown Street und Horsefield Street begann die Mautstraße nach Gloucester.
    Von der Dolphin Street gelangten sie in deren neu gebaute Verlängerung, die dreißig Fuß breite Union Street. Sie kamen an großen glitzernden Schaufenstern und kunstvoll geschnitzten Türen mit funkelnden Messingbeschlägen vorbei. Der neue Boulevard war dreimal so breit wie die Narrow Wine Street, sodass die Passanten, die vor ihnen auf die andere Straßenseite flohen, sich dreimal so sicher fühlen konnten - vielleicht war das auch gut so, denn hier wohnten feinere Leute.
    Schließlich bogen sie nach links ab, in die Broadmead und den Fuhrpark von Michael Henshaw, der mit seinen Pferdefuhrwerken Fracht nach Gloucester, Monmouth, Wales, Oxford, Birmingham und sogar Liverpool beförderte. Dort wurden sie in einen Winkel
voller Pferdeäpfel gestoßen und durften ihre Kisten absetzen. Willy keuchte vor Erschöpfung.
    Wenigstens haben drei Monate ohne Bewegung mich nicht ganz entkräftet, dachte Richard. Der arme Willy ist völlig erledigt. In drei Monaten bin ich sicher genauso schwach, es sei denn, ich kann im Gefängnis von Gloucester arbeiten und ich bekomme genug zu essen, um arbeiten zu können. Aber wenn ich arbeiten darf, wer bewacht dann meine Kiste vor Dieben? Um Sachen wie das Teeröl und den Filterstein brauche ich mir keine Sorgen zu machen, aber die Lappen und Kleider wären bestimmt schnell weg. Außerdem könnte jemand das Geheimfach mit den Goldstücken entdecken. Und meine Bücher könnten wegkommen! Ich bin sicher nicht der einzige Gefangene in England, der Bücher liest.
    Der große Wagen, in den Willy und Richard schließlich stiegen, hatte eine über Eisenbügel gespannte Plane aus Segeltuch. So waren sie vor Wind und Wetter einigermaßen geschützt, auch vor dem aufkommenden Schneesturm, der ihnen außerhalb Bristols mit seinen vielen heißen Schloten sicher heftiger zusetzen würde. Die acht vor den Planwagen gespannten Pferde schienen kräftig genug, um sich durch den Morast der ungepflasterten Mautstraße zu kämpfen. Der Wagen selbst war mit so vielen Fässern

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