Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
Vom Netzwerk:
Die Frau trug einen schwarzen Rock, einen roten Unterrock, eine rote Bluse, eine schwarze Weste und schräg auf dem Kopf einen merkwürdig extravaganten schwarzen Hut mit einer breiten Krempe und einer scharlachrot gefärbten Gänsefeder.
    »Gibt es hier keine Kapelle, in der man den Pfarrer versteht?«, fragte Richard mit einem leichten Lächeln. Die Frau hatte etwas
Liebenswertes, und solange er sich mit ihr unterhielt, musste er nicht dem jammernden Willy zuhören.
    »Doch, aber sie ist nicht groß genug für alle. Das Gefängnis ist zurzeit wirklich voll - es müsste mal wieder Fleckfieber ausbrechen, damit es leerer wird. Ich bin Lizzie Lock.« Sie streckte ihm die Hand hin.
    Richard schüttelte sie. »Richard Morgan. Und das ist Willy Insell, mein Schatten, der mich noch um den Verstand bringen wird.«
    »Tag, Willy, wie geht’s?«
    Wieder strömten die Tränen über Willys Wangen.
    »Das geht wie ein Wasserfall«, sagte Richard müde. »Eines Tages erwürge ich ihn noch.« Er sah sich um. »Warum sind Männer und Frauen hier nicht getrennt?«
    »Das Gefängnis hat keinen Frauentrakt, Schätzchen. Und auch keinen eigenen Trakt für Schuldner. Deshalb wurden wir vor ungefähr fünf Jahren in John Howards Bericht über die englischen Gefängnisse erwähnt. Deshalb bauen wir gerade ein neues Gefängnis und deshalb ist diese Zelle von Montag bis Samstag nicht so überfüllt wie jetzt, weil die Männer dann auf dem Bau sind.« Lizzie hatte gesprochen, ohne Luft zu holen.
    »Wer ist John Howard?«
    »Er hat diesen Bericht über die Gefängnisse geschrieben. Das hab ich doch gerade gesagt. Mehr weiß ich nicht, also frag auch nicht weiter. Und das weiß ich auch nur, weil ganz Gloucester sich darüber aufgeregt hat - vor allem der Bischof und sein ehrenwertes Kollegium. Schließlich stimmte das Parlament einem Gesetz über den Bau eines neuen Gefängnisses zu. Es soll in drei Jahren fertig sein, aber da bin ich schon weg.«
    »Du rechnest mit einem Freispruch?« Richards Lächeln wurde breiter. Er fand die Frau überhaupt nicht attraktiv, trotzdem mochte er sie, einfach weil in ihren wachen schwarzen Augen noch keine Resignation lag.
    »Großer Gott nein!«, erwiderte Lizzie belustigt. »Ich wurde vor zwei Jahren zu sus. per coll. verurteilt.«
    »Zu was?«

    »Zum Tod durch den Strang, Schätzchen. Sus. per coll., schreibt der Kerl, der dich hängt, in sein offizielles Buch, sobald du aufgehört hast zu strampeln.«
    »Doch wie ich sehe, bist du noch am Leben.«
    »Ich wurde vorletzte Weihnachten begnadigt. Zu Deportation für sieben Jahre. Noch bin ich hier, aber wahrscheinlich nicht mehr lange.«
    »Wie es aussieht, gibt es kein Land, in das man dich deportieren könnte, Lizzie. Obwohl in Bristol Afrika im Gespräch war.«
    »Du bist aus Bristol! Das dachte ich mir. Du nuschelst nicht, sondern du näselst.«
    »Willy ist auch aus Bristol. Wir kamen heute mit einem Fuhrwerk.«
    »Und du bist ein Gentleman«, sagte sie verwundert.
    »Nur so etwas Ähnliches, Lizzie.«
    Sie zeigte mit dem Finger auf die Holzkiste. »Was ist da drin?«
    »Meine Habseligkeiten, aber wer weiß, wie lange noch. Einige hier sehen zwar krank aus, aber die meisten wirken viel munterer als die Häftlinge im Bristol Newgate.«
    »Weil sie das neue Gefängnis bauen und wegen der Gemüsebeete des alten Hubbard. Wer arbeitet, bekommt anständig zu essen. Es ist billiger, Häftlinge arbeiten zu lassen, als Arbeiter aus Gloucester anzuheuern - und ein neues Gesetz erlaubt das offenbar. Wir Frauen arbeiten auch, meist im Garten.«
    »Wer ist Hubbard?«
    »Der Oberaufseher. Hauptsache, man wird nicht krank - dann bekommt man nämlich nur noch eine Viertelration. Besonders gefährlich ist das Fleckfieber. Und über Weihnachten sind acht von dreiundachtzig Häftlingen Opfer der Pocken geworden.« Lizzie strich über die Holzkiste. »Keine Bange, Schätzchen, ich pass auf deine Kiste auf - für eine Gegenleistung.«
    »Was für eine Gegenleistung?«, fragte Richard argwöhnisch.
    »Schutz. Ich verdiene mir mit Stopfen und Flicken volle Essensrationen und außerdem ein paar Pennys. Ich biete Dienste an, gegen die der Pfarrer nichts einzuwenden hat. Aber die Männer sind
dauernd hinter mir her, besonders Isaac Rogers.« Sie deutete auf einen großen kräftigen Burschen mit einem verschlagenen Gesicht. »Ein übler Kerl!«
    »Weswegen sitzt er?«
    »Straßenraub. Brandy und Tee.«
    »Und was hast du verbrochen?«
    Lizzie kicherte und tippte an ihren Hut.

Weitere Kostenlose Bücher