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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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eine Geldbörse mit fünfzehn Guineen gestohlen zu haben, und Bess Parker, die in North Nibley in ein Haus eingebrochen und zwei Leinenhemden entwendet haben sollte. Bess Parker hatte inzwischen ein festes Verhältnis mit einem Häftling namens Ned Pugh, der seit 1783 einsaß. Betty Mason hatte einem Wärter namens Johnny den Kopf verdreht. Beide Frauen waren hochschwanger.
    Wie schön wir es hier haben!, dachte Richard bitter. Eine Gemeinschaftszelle, in der man kaum aufrecht stehen konnte, und für die Männer ein vor Schmutz starrender Schlafsaal, zu dem einem erst ein Wärter die Tür über der Treppe aufschließen musste. Inzwischen war er allerdings einigermaßen abgebrüht. Er entkleidete und wusch sich vor einer Pumpe in einer fensterlosen Zelle, ohne auf die Frauen zu achten, wusch mit stoischer Ruhe die Lappen aus, mit denen er sich den Hintern abwischte, und filterte weiterhin sein Trinkwasser, unbeirrt von über drei Dutzend Augenpaaren, die ihn und seinen Stein skeptisch beobachteten. Er hatte auch einen gewissen Egoismus entwickelt, denn er bot weder Lizzie noch Willy gefiltertes Wasser an. Der Stein brauchte eine ganze Stunde, um zwei Pints zu produzieren. Auch die Seife und die Lappen teilte er nicht. Die wenigen Pennys, die er ausgab, gingen an Maisie, die ihm dafür seine Unterhosen, Hemden und Socken wusch. Seine übrigen Kleidungsstücke stanken nach Schweiß.

    Maisie, die Wäscherin, war die einzige Frau, die keinen Beschützer hatte und nichts von den Männern verlangte, denen sie ihre Gunst gewährte. Zwei oder drei andere Frauen waren für einen Becher Gin zu haben. Wenn die Begierde ein Paar übermannte und es kein freies Plätzchen auf dem Fußboden fand, stellte es sich einfach an die Wand. Es war kein besonders erotischer Akt, da beide die Kleider anbehielten und Neugierige bestenfalls einen flüchtigen Blick auf ein entblößtes Glied und einen behaarten Schamhügel erhaschten. Zu Richards Erstaunen trieben die Paare es nie in einer der angrenzenden kleinen Zellen. Anscheinend graute allen vor der Dunkelheit.
    Anfang März wurden Bess Parker und Betty Mason zur Entbindung in den Frauenschlafsaal getragen, nachdem ihnen in der Gemeinschaftszelle das Fruchtwasser abgegangen war. Zwei andere Frauen stillten bereits Babys, die im Gefängnis zur Welt gekommen waren, und Maisie hatte ein kleines Kind ins Gefängnis mitgebracht. Die meisten Säuglinge starben bei oder kurz nach der Geburt. Wenn eines überlebte, war das ein Wunder.
    Zum Glück gab es wenigstens genug Arbeit. Richard wurde dazu eingeteilt, Kalksteinblöcke vom Anlegeplatz zum neuen Gefängnis zu schleppen. So kam er an die frische Luft und konnte sich draußen umsehen. Der kleine Hafen von Gloucester lag im Norden des Burggeländes am Ufer des Severn, der bis dorthin für kleine Briggs und große Flussboote befahrbar war. Es gab zwei Gießereien in der Stadt, von denen die eine Kirchenglocken und die andere kleine Eisenartikel für den lokalen Markt herstellte. Der Rauch, der aus ihren Schloten aufstieg, reichte nicht aus, um die Luft zu verpesten. Richard empfand sie als sauber und frisch. Der Severn sah ebenfalls sauber aus, auch wenn das Auftreten von Fleckfieber unter den Gefangenen vermuten ließ, dass die Wasserquelle des Gefängnisses verseucht war. Vielleicht wurde die Krankheit aber auch durch Flöhe oder Läuse übertragen. Richard bekämpfte diese Parasiten, indem er seinen Körper und seine Kleider ständig nach ihnen absuchte und seine verdreckte Pritsche mit Teeröl einrieb. Wie er sich danach sehnte, sauber zu sein, in einer sauberen Umgebung zu leben und nach der Arbeit seine wohlverdiente Ruhe zu haben!

    Wenige Tage nach Richards und Willys Ankunft war wieder das Fleckfieber ausgebrochen und hatte die Zahl der Sträflinge von vierzig auf zwanzig reduziert. Da einige wenige Häftlinge neu dazukamen, waren es inzwischen wieder vierzehn, die auf ihre Verhandlung warteten.
    Richard hatte die anderen Männer im Lauf der Zeit und durch die gemeinsame Arbeit besser kennen gelernt. Mit drei von ihnen - William Whiting, James Price und Joseph Long - hatte er sich sogar angefreundet. Sie sollten wie er zur Fastenzeit vor Gericht gestellt werden.
    Whiting wurde beschuldigt, ausgerechnet aus dem Stall der Herberge in Almondsbury, in der Richard und Willy unterwegs übernachtet hatten, einen Hammel gestohlen zu haben.
    »Blödsinn!«, sagte Whiting. Er war ein Spaßvogel, bei dem man nie wusste, ob man ihm glauben sollte.

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