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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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»Ich habe den tollsten Seidenhut der Welt geklaut. Ich kann nicht anders, Richard - ich liebe Hüte!«
    »Soll das heißen, man hat dich zum Tod verurteilt, nur weil du einen Hut gestohlen hast?«
    Die schwarzen Augen funkelten. Lizzie senkte den Kopf. »Nicht nur einen. Ich sagte doch, ich liebe Hüte!«
    »So sehr, dass du für sie Kopf und Kragen riskierst, Lizzie?«
    »An den Galgen dachte ich beim Klauen nicht.«
    Richard streckte ihr zum zweiten Mal die Hand hin. »Abgemacht, Mädel. Ich werde dich beschützen. Dafür erwarte ich von dir, dass du meine Kiste mit deinem Leben verteidigst. Und versuche nicht, die Schlösser zu knacken, Lizzie Lock! Ich schwöre dir, es sind keine Hüte drin.« Er drängelte einige Häftlinge zur Seite und stand auf. »Ich würde mich hier gern etwas umsehen, wenn ich in diesem Gedränge überhaupt vom Fleck komme. Pass auf meine Kiste auf.«
    Seine Runde dauerte nur eine Viertelstunde. Von der Gemeinschaftszelle gingen ein paar unbeleuchtete kleine Zellen ohne Fenster ab, die leer waren, obwohl in zwei von ihnen Kloschüsseln standen. Eine bröckelnde Treppe führte zu einer Gittertür hinauf, die den Zugang zum oberen Stockwerk versperrte. Eine weitere Gittertür trennte die Gemeinschaftszelle der Sträflinge von der der Schuldner, die zehn auf zwanzig Fuß groß war, aber wie die kleineren Zellen weder Fenster noch Lüftungslöcher hatte und stockfinster gewesen wäre, hätten die Insassen nicht unterhalb der Decke ein Stück Wand herausgebrochen, um etwas Licht und frische Luft hereinzulassen. Dahinter lag der Hof. Obwohl die Schuldner mehr Platz hatten, ging es ihnen schlechter als den Sträflingen. Da sie nicht arbeiteten, mussten sie mit Viertelrationen auskommen.
Sie waren wie die Häftlinge im Bristol Newgate abgemagert und apathisch und teilweise nur mit Lumpen bekleidet.
    Bei seiner Rückkehr sah Richard, wie Lizzie Lock seine Kiste energisch gegen Isaac Rogers, den Straßenräuber, verteidigte.
    »Nimm die Finger von Lizzie und meinen Sachen weg«, sagte er barsch.
    »Na los, zeig’s mir doch!«, knurrte Rogers und baute sich kampfbereit vor ihm auf.
    »Verschwinde lieber! Einen Dickwanst wie dich lege ich mit einem Schlag um«, entgegnete Richard unbeeindruckt. »Fort mit dir! Ich bin Richard Morgan, ein friedliebender Mensch, und diese Dame steht unter meinem Schutz.« Er legte den Arm um Lizzie, die sich schadenfroh grinsend an ihn lehnte. »Es gibt hier noch andere Frauen. Belästige doch eine von denen.«
    Rogers musterte Richard eingehend und beschloss, sich lieber nicht mit ihm anzulegen. Hätte Morgan nur eine Spur von Angst gezeigt, die Sache wäre anders ausgegangen, doch schien der Neue keine Angst zu kennen. Er wirkte vollkommen ruhig und beherrscht. Burschen wie der kämpften verbissen wie Katzen. Rogers zuckte also nur die Achseln und schlurfte davon. Richard hockte sich auf seine Kiste, Lizzie setzte sich auf sein Knie.
    »Wann bekommen wir etwas zu essen?«, fragte Richard. Eine gewiefte Frau, diese Lizzie! Sie würde seine Ritterlichkeit ganz gewiss nicht missverstehen. Ein Beschützer, der sie nicht begehrte, kam ihr sehr gelegen.
    »Bald ist Mittag«, antwortete sie. »Weil heute Sonntag ist, bekommen wir frisches Brot, Fleisch, ein Stück Käse, Rüben und Kohl. Nicht Butter oder Marmelade, aber genug zu essen. Die Sträflinge haben ihre eigene Küche, dort drüben.« Sie deutete zum anderen Ende des Raumes. »Der Koch gibt jedem ein Holzbrett und einen Zinnbecher. Zum Abendessen gibt es dann noch mal Brot, Dünnbier und Krautsuppe.«
    »Gibt es einen Schankraum?«
    »Hier drinnen? Du besäufst dich wohl gerne, Schätzchen.«
    »Ich trinke nichts außer Dünnbier oder Wasser. Ich wollte es nur wissen.«

    »Simmons, ein Wärter - sein Spitzname ist Selig - verkauft Schnaps für einen Penny. Dann musst du dich vor Isaac in Acht nehmen. Ike ist unberechenbar, wenn er getrunken hat.«
    »Betrunkene Männer sind ungeschickt. Ich hatte mein Leben lang mit ihnen zu tun.«
     
    Ende Februar wusste Richard alles über das Gefängnis von Gloucester und seine Mithäftlinge, mit denen er auf engstem Raum zusammenlebte. Vierzehn von ihnen warteten wie er auf ihre Verhandlung während der Gerichtstage in der Fastenzeit. Die Übrigen waren bereits abgeurteilt, größtenteils zur Deportation. Unter diesen vierzehn befanden sich drei Frauen - Mary Harding, genannt Maisie, die der Hehlerei bezichtigt wurde, Betty Mason, der man vorwarf, aus einem Haus in Henbury

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