Insel der Versuchung
andere Männer gefallen waren, die es weit mehr verdient hätten als er, am Leben zu bleiben. In den dunkelsten Stunden der Nacht waren es die Träume von seinem barmherzigen Engel gewesen, die ihn seine Trauer und Schuldgefühle vergessen ließen.
Genau in diesem Augenblick erregte eine vertraute kurvenreiche Frauengestalt auf der anderen Seite der Palmen seine Aufmerksamkeit, und er stieß einen leisen Fluch aus, bezwang nur mit Mühe den Drang, tiefer in sein Versteck zwischen den riesigen Topfpflanzen und den Säulen zu kriechen.
„Hier habe ich jedenfalls keine Spur von Beschaulichkeit entdecken können“, erklärte Max und sah zu der blonden Witwe, die sich suchend im Ballsaal umblickte. Zweifellos hielt sie nach ihm Ausschau.
„Dann komm Weihnachten mit mir nach Hause“, schlug Thorne vor. „Meine Verpflichtungen werden mich bis dahin hier in London halten, aber ich habe vor, die Feiertage auf Kyrene zu verbringen. Es wäre mir eine große Freude, wenn du mich begleitest.“
„Es ist nicht schwer, mich zu überreden. Ich möchte mich zu gerne persönlich davon überzeugen, dass Yates ganz wiederhergestellt ist.“ Und einen gewissen verführerischen Engel Wiedersehen ...
Obwohl er das Thema vermeiden wollte, drängte sich ihm trotzdem die Frage auf die Lippen. „Hast du etwas von Miss Evers gehört?“
„Caro?“ Überrascht zog Thorne die Augenbrauen hoch. „Ach ja, du hast sie kennen gelernt, als sie Yates gepflegt hat.“ Er lächelte gedankenverloren, wie bei einer lieben Erinnerung. „Himmel, sie ist immer noch so sonderlich wie früher. Caro neigt dazu, die blaublütigen Bewohner von Kyrene mit schöner Regelmäßigkeit vor den Kopf zu stoßen.“
„Sie schien mir eher unkonventionell.“
„Das ist sie“, erwiderte Thorne mit einem leisen Lachen, das jäh abbrach. „Was zum Teufel...?“ Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. „Wenn man vom Teufel spricht ..."
Thomes Blick durch die Palmenwedel folgend, schaute Max über das Gedränge auf der Tanzfläche hinweg zum Eingang des Ballsaales. Eine Frau stand dort, die zwischen den herausgeputzten und mit Juwelen und Federn geschmückten Damen der Gesellschaft vollkommen fehl am Platze wirkte. Sie trug dunkle Reisekleidung und suchte die Menge ungeduldig mit den Augen ab.
Max spürte, wie sich jeder Muskel in ihm anspannte. Er erkannte sie aus seinen Träumen wieder. Die stolze Haltung ihres schlanken Körpers. Die zarte Strenge ihres Kinns. Das Mitgefühl in ihrer heilsamen Berührung ...
Sich fragend, ob er wieder träumte, blinzelte Max rasch, als Thorne ernst sagte: „Entschuldige mich. Es ist gut möglich, dass Caro mich sucht. Ich muss herausfinden, was sie herführt.“ Während sein Freund sich entfernte, stand Max einen Augenblick wie angewurzelt und empfand leichte Verblüffung. Wie Thorne auch hatte er keine Ahnung, was Caro Evers nach London geführt hatte, und besonders in Lady Hennessys Ballsaal.
Dennoch hegte er keinen Zweifel, weshalb sein Leben mit einem Mal viel heller war.
Erleichterung durchströmte Caro, als sie Thorne näher kommen sah. Jetzt musste sie nicht weiter nach ihm suchen.
Als er vor ihr stand, zwang sie sich, sein Willkommenslächeln zu erwidern, da sie wusste, dass sie von neugierigen Augen beobachtet wurden. Das Angestarrtwerden störte sie nicht - sie war es inzwischen gewöhnt. Und in den fünf Jahren seit ihrer schrecklichen Saison in London hatte sie sich an den Gedanken gewöhnt, eine Außenseiterin zu sein. Aber niemand sollte Verdacht schöpfen, dass sie und Christopher, Lord Thorne, mehr als langjährige Bekannte und Nachbarn waren oder dass sie hergekommen war, um ihn zu einer dringenden Mission zu holen.
„Bist du eben erst in London eingetroffen?“ erkundigte er sich leise, während er sich galant über ihre Hand beugte.
„Ja. Ich habe bei dir zu Hause vorgesprochen, aber mir wurde gesagt, ich könnte dich hier finden. Thorne, es geht um Isabella. Wir denken, sie ist gefangen genommen worden.“
Obwohl er immer noch freundlich lächelte, glomm der Funke eines dunklen Gefühls in seinen Augen auf. „Ich bin hocherfreut, Sie wiederzusehen, Miss Evers. Kommen Sie, erzählen Sie mir alle Neuigkeiten aus der Heimat.“
Ihre Hand auf seinen Arm legend, führte er sie aus dem Ballsaal über einen langen Flur in die Bibliothek.
Caro erschauerte, als er die Tür hinter ihnen schloss. Zwar war ein Feuer im Kamin angezündet worden, aber es war hier wesentlich kälter als zu
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