Insel der Versuchung
Dennoch hatte sie nicht viel Hoffnung, dass er annehmen würde. Von dem, was sie über seine Vergangenheit wusste, konnte sie ahnen, wie schwer es ihm fiel, an der Mission zur Barbarenküste teilzunehmen.
Max war ein einsamer Krieger. Tief in ihrem Herzen spürte sie, dass er hierher, zu den Wächtern gehörte, aber was sie sich ersehnte und wozu er sich überwinden konnte, waren zwei verschiedene Dinge.
Um sich der Sache der Wächter anzuschließen, musste Max erst seine inneren Dämonen bezwingen. Und Caro war sich nicht sicher, ob das je geschehen würde.
Seine Zukunft lag in seinen eigenen Händen. Sie konnte ihn zu nichts zwingen, sondern nur hoffen, dass er am Ende aus freiem Willen entscheiden würde, ein Wächter zu werden.
12. KAPITEL
Zwei Tage später zügelte Max sein Pferd vor Olwen Castle und
musterte die riesige Burg, die er jetzt mit anderen Augen betrachtete. Im warmen Sonnenlicht schimmerten die Mauern golden und wirkten nahezu ätherisch.
Vielleicht spielte ihm auch seine Fantasie einen Streich. Nachdem er die Geschichte der Wächter gehört und das legendäre Schwert gesehen hatte, das sie beschützten, fiel es ihm leichter zu glauben, dass die gesamte Insel irgendeinen besonderen Zauber besaß.
Und er war fest davon überzeugt, dass Caro über einen ganz besonderen Zauber verfügte.
Bis jetzt hatte er sie wegen der Widerstände geachtet, die sie überwunden hatte, für ihr Durchsetzungsvermögen, um auf das von Männern beherrschte Feld der Medizin vorzudringen. Jetzt, da er über die Wächter Bescheid wusste, war seine Achtung nur gestiegen.
Seit jener Nacht hatte er Caro nicht wiedergesehen. Sie hatten vorgehabt, sich gestern in der Grotte zu treffen, aber sie hatte ihm eine Nachricht gesandt, dass Dr. Allenby krank geworden war - er litt unter Fieber und Schüttelfrost - und dass sie in den nächsten paar Tagen seine Krankenbesuche übernehmen müsse.
Max rechnete aber fest damit, dass sie zu der Besprechung heute Nachmittag auf die Burg kommen würde, wo sie einen vorläufigen Plan zu Lady Isabellas Befreiung entwerfen wollten.
Tatsächlich wartete Caro schon in Sir Gawains Arbeitszimmer, zusammen mit John Yates und Alex Ryder. Max bemerkte, dass sie erschöpft aussah, als ob die Krankenbesuche bei Dr. Allenbys Patienten ihren Preis forderten. Aber ihr Lächeln deutete er als ein Zeichen, dass sie erfreut war, ihn zu sehen.
Zu dem Zeitpunkt, da sich der Raum mit Wächtern gefüllt hatte, war ihr Lächeln jedoch verblasst, und ihre Miene verriet Konzentration und Anspannung. Ihre Ungeduld, endlich zu beginnen, hatte nicht nachgelassen.
Sir Gawain eröffnete das Treffen und stellte ihn den anderen Anwesenden vor. Außer Santos Verra und Kapitän Biddick waren noch etwa ein halbes Dutzend Männer da. Max erkundigte sich nach ihren besonderen Fähigkeiten, ehe er die Gesprächsleitung übernahm.
„Für den Augenblick wollen wir annehmen, dass Lady Isabella in der Festung des Anführers gefangen gehalten wird“, begann er. „Zunächst müssen wir einen Weg in diese Festung finden. Danach gilt es, Lady Isabella dort wohlbehalten herauszuholen und ungeschoren das Land zu verlassen. Ich habe drei Prinzipien beim Festlegen einer Taktik“, fügte Max hinzu. „Mach den Plan so einfach wie möglich. Wenn der ursprüngliche Plan nicht aufgeht, sei vorbereitet, ihn den neuen Gegebenheiten anzupassen, und schließlich: Plane deinen Rückzug so sorgfältig wie das Eindringen. Ehe wir mit dem richtigen Plan anfangen, müssen wir die Herausforderung verstehen, der wir uns gegenübersehen.“
Alle versammelten sich um den Tisch, auf dem die Karte Algeriens ausgebreitet war.
Einer der Männer, der das Land gut kannte, beschrieb die Schwierigkeiten des Geländes südwestlich von Algier. Der Weg führte zwei kräftezehrende Tage lang durch ausgedörrtes Ödland, dann über zwei tückische Bergpässe, ehe sie die Berberfestung erreichen würden. Erschwert wurde ihre Aufgabe außerdem noch durch die fremden Sitten und Gebräuche des Landes. Und die Berber galten als die wildesten Krieger an der Barbarenküste.
„Es wäre Selbstmord, wenn wir versuchten, uns den Zugang zu der Zitadelle freizuschießen“, sagte Max schließlich. „Daher müssen wir uns auf eine List verlegen, um hineinzugelangen.“ „Aber wäre es nicht leichter“, fragte Yates, „den Berbern anzubieten, Lady Isabella freizukaufen?“
Sir Gawain schüttelte den Kopf. „Wir können es nicht riskieren, unsere Karten
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